Im Gespräch mit Benny Rosemeier: „Man lernt sehr viele Menschen durch die Straßenmusik kennen"
24.08.2020 | Mark Schneider
Um über diese Form der Straßenmusik zu sprechen, habe ich mich mit Benny Rosemeier unterhalten. Benny ist Gitarrist der Progressive-Metal-Band Destince und steckt mit dieser gerade mitten in der Albumproduktion. Nebenbei spielt er in einer Firmen-Coverband hauptsächlich Pop- und Rocksongs und bildet mit einem Cellisten das Singer-Songwriter Duett BurdeN. Benny ist gesetzlich gesehen blind, seine Sehfähigkeit liegt nur bei circa 2%. Zwar kann Benny Konturen erkennen und bei ausreichender Vergrößerung auch lesen, beim Gitarre spielen muss er sich jedoch total auf das Gefühl in seinen Fingern verlassen: „Ich spiele seit meinem 16. Lebensjahr Gitarre. Ich sehe beim Spielen nicht, wohin ich greife, aber auch sehende Gitarristen schauen irgendwann nicht mehr auf das Griffbrett. Das habe ich einfach von Anfang an nicht getan.“ Um die Noten und Tabulatoren zu lesen, vergrößert er diese mit Hilfe einer Kamera und eines Monitors. Im Jahr 2008 beginnt Benny alleine Straßenmusik zu spielen. „Ich hatte einfach Bock, anderen Menschen meine Musik nahezubringen und gleichzeitig wenige Möglichkeiten für offizielle Auftritte. Außerdem wollte ich wissen, ob und wie gut man mit Straßenmusik Geld verdienen kann.“ Eine Zeit lang ist er jedes zweite Wochenende mit seiner Akustikgitarre auf die Straße gegangen, vor allem in der Sommersaison, wenn in den Fußgängerzonen der Städte wie Marburg an der Lahn besonders viel Betrieb ist.
Straßenmusik ist, wie sollte es auch anders sein, fast immer an Auflagen gebunden. So darf man nur an bestimmten Plätzen und nur für eine gewisse Zeit spielen. In unserer Beispielstadt Marburg darf man 45 Minuten an einem erlaubten Platz spielen, bevor man diesen wechseln muss. Benny kennt aber auch andere Zustände: „In der Innenstadt von Göttingen darf man sogar nur 20 Minuten spielen. An Sonn- und Feiertagen ist das Spielen komplett verboten. In München zum Beispiel muss man zunächst bei der Stadt vorspielen und eine Genehmigung erwerben, bevor man überhaupt offiziell auf die Straße darf.“ Probleme mit dem Ordnungsamt hatte Benny noch nicht, die wenigen Erfahrungen mit diesem sind positiv verlaufen: „Ich habe einmal an Ostermontag gespielt und wusste von der Feiertagsregel noch nichts. Das Ordnungsamt hat mich dann sehr nett auf meinen Fehler hingewiesen und damit war die Sache gut.“ Bis auf ein paar genervte oder pöbelnde Anwohner hat er zum Glück von keinen negativen Erfahrungen oder selbst erlebten Vorurteilen gegenüber Straßenmusikern zu berichten.
Im Gegenteil, es sind die spontanen und positiven Erlebnisse, die Benny von der Straßenmusik begeistern: „Man lernt sehr viele Menschen durch die Straßenmusik kennen. Einmal hat sich jemand mit einem Cajón mitten in meinem Song einfach dazugesetzt und mitgespielt. Das Ganze hat auch noch super funktioniert!“ Ein anderes Mal wurde Benny von zwei Jungs angequatscht und darum gebeten, sofort mit zum Rathaus zu kommen und für das gerade heiratende Brautpaar nach der Trauung ein Lied zu spielen. „Gesagt, getan! Ich erinnere mich leider nicht mehr, welches Lied das war. Nachdem ich es gespielt hatte, kam die Braut mit Tränen in den Augen zu mir und sagte, dass das ihr absolutes Lieblingslied sei. Ein wunderschönes Erlebnis!“
Das Gespräch mit Benny zeigt mir eine andere Perspektive auf die Straßenmusik und öffnet mir ein Stück weit die Augen. Viel zu oft erwische ich mich selbst dabei, wie ich genervt an Straßenmusikern vorbeigehe, ohne den Menschen einen Blick zu schenken oder ein Ohr zu leihen. Dabei liebe ich Musik und lasse ich mich viel zu selten auf wirklich talentierte Straßenmusiker ein, selbst wenn diese gerade einen meiner Lieblingssongs spielen. Das liegt oft an Stress und nicht vorhandener Zeit. Dabei ist Straßenmusik für die Künstler nicht nur eine Einnahmequelle, sondern oft die einzige Möglichkeit, anderen Menschen ihr Talent zu präsentieren. Benny bringt es mit den folgenden Worten auf den Punkt: „Es ist der unkomplizierteste Weg, seine Musik unter die Leute zu bringen. Man kann das schöne Wetter genießen und lernt ständig neue Leute kennen. Man kann sein Hobby ausleben und verdient damit auch noch etwas Geld.“ Eine Aussage, über die wir oftmals gestressten und genervten Passanten in den entsprechenden Situationen gern zwei Mal nachdenken sollten.
Mark Schneider
Mark kommt aus der wunderschönen, ländlichen Provinz zwischen Siegen und Marburg an der Lahn. Ob kleine Acts im Club oder Musikgiganten vor Tausenden: Besucht wird, was laut ist und Spaß macht! Dabei sind im Genre (fast) keine Grenzen gesetzt.