Tour trotz Corona: Im Interview mit Tribe Friday
15.09.2020 | Jan-Severin Irsch
“Hey, schön dich zu sehen!” Noah Deutschmann, 20 Jahre alt und Sänger der schwedischen Band Tribe Friday, empfängt mich per Skype an seinem Handy. Lockenpracht, gut gelaunt und vielbeschäftigt erzählt er voller Stolz vom großen Erfolg seiner Band im Corona-Jahr 2020. Als eine der wenigen Bands weltweit haben sie es mithilfe ihrer Agentur Spider-Promotion geschafft, eine Tour durch Deutschland zu planen und bald zu spielen.
Aber, wie geht das, während Corona eine Tour zu spielen? “Die Dinge waren sehr fies in letzter Zeit, aber wir haben unsere positive Einstellung beibehalten und waren ehrgeizig trotz der Umstände ein weiteres mal auf Tour zu gehen. Wir leben für die Livemusik und hätten vermutlich sonst dieses Jahr nicht überlebt” sagt Noah mit einem kindischen Grinsen. Sie haben sich bewusst für Deutschland entschieden um auf Tour zu gehen, denn: “Wir waren im Februar in Deutschland und alle die wir getroffen haben waren sehr freundlich. Wir haben uns in das Land verliebt und wurden sehr willkommen geheißen. Simpler Grund, aber genau so ist es.”
Beginn der Tour ist am 17.09. in der Hauptstadt. Doch Auftritte oder gar eine Tour während Corona bedeuten keine großen Zuschauerzahlen, und ein anderes Bild von der Bühne. Trotz geltender Regelungen und Bestimmungen blicken Tribe Friday voll Freude in die Zukunft. “Ich habe mitbekommen, dass die Regelungen von Bundesland zu Bundesland wohl unterschiedlich sind. Das bedeutet natürlich, dass generell weniger Leute da sein werden. Wir dürfen 35 Tickets pro Auftritt verkaufen. Aber 35 Leute sind immer noch ein Publikum und eigentlich ist es dann egal wie viele Leute da sind, ob sie jetzt nah aneinander stehen oder nicht. Viel wichtiger ist eher, dass sie da sind, weil sie Live-Musik hören und Spaß haben wollen. Die Auftritte werden natürlich sehr speziell, aber dann auch irgendwo wieder normal.”
Im Gegensatz zu manch anderen Konzertmodellen, beispielsweise den “Silent Partys”, bei denen das Publikum über Kopfhörer die Musik hört, spielen Tribe Friday eine “ganz normale” Show. Während des Gesprächs macht sich Schlagzeuger Anton gerade am Tourbus der Band zu schaffen. “Da draußen kannst Du unseren Schlagzeuger sehen, er lädt gerade die Backline in den Bus ein” sagt Noah und dreht die Kamera auf eine wunderschöne schwedische Landschaftsszenerie und ein schwer schuftendes Bandmitglied.
Geformt hat sich die Band in einem kleinen schwedischen Dorf durch Noah und Tribe Fridays Drummer Anton mit ungefähr 15 Jahren, “Weil man hier nicht wirklich etwas anderes außer Sport oder Drogen machen konnte. Wir sind nicht die sportlichen Typen, also war Musik quasi das einzige, was wir machen konnten”. Nun sind sie eine der wenigen Bands weltweit, die auf Tour gehen. “Wir sind es gewohnt, mit dem zu arbeiten was wir gerade haben, wir versuchen jede Gelegenheit zu ergreifen. Wir sind da sehr flexibel. Ich glaube viele Bands sind gerade verständlicherweise ein wenig verängstigt auf Tour zu gehen und das Risiko einzugehen, dass bei der Hälfte Schluss ist. Aber wir leben für die Musik und haben nichts anderes. Deshalb dachten wir uns 'Fuck it', wir machen das jetzt.”
Seine Bandkollegen haben Nebenjobs, Noah studiert Musikproduktion und Songwriting. Ein wahrer Fuchs, denn Tribe Friday nutzen das Studio der Uni, um ihre Songs aufzunehmen. Das eigentliche Studieren passiert nur so nebenbei. “Unser ganzes Leben ist so ausgerichtet, dass wir so einfach wie möglich Musik machen können. Zum Beispiel: Das Haus, aus dem ich gerade mit dir spreche, ist ein kleines Holzhaus außerhalb der Stadt, sodass wir nur ganz wenig Miete zahlen müssen. Wir können von 300 Kronen im Monat leben, das ist nichts.”
Ein eigenes Bandhaus also. Na, wenn das nicht der klügste Schachzug der Musikgeschichte ist. Sein gesamtes Umfeld so zum eigenen Vorteil nutzen, um seine Ziele möglichst effizient zu erreichen. Durch einen Kredit den sie aufgenommen und abbezahlt haben, zahlt die Band nun Noahs Eltern Miete. “Weil keiner einem 20-jährigen Musiker ein Haus verkaufen würde, haben wir das so geregelt”.
Neben Touren durchs eigene Land waren Tribe Friday bereits zwei Mal in den USA und haben für eine der wohl bekanntesten schwedischen Bands als Vorband gespielt, nämlich Mando Diao. Nun sind sie auf dem Weg nach Deutschland.
Auf ihrer Tour durch die Republik macht die Band Halt in Berlin, Wuppertal, Hannover, Dortmund, Göttingen und Oldenburg. Ein wenig Kulturschock haben die Jungs dann doch in Deutschland bei ihrem ersten Besuch erlebt. “Als wir das erste Mal in Deutschland gespielt haben, wussten wir nicht, dass die Deutschen gerne trinken. Und zwar sehr gerne sehr viel trinken. Nicht nur das, sie wollen auch, dass man in deren Party mit einsteigt. Also hat bei einer Show in Hannover jemand angefangen uns diese Mexikaner-Shots auszugeben. Aus einem Tablett wurden dann sechs. Am Ende des Abends war ich dann vor dem Club und naja... ich hab mich nicht so gut gefühlt”, sagt Noah grinsend. “Aber es war ein gelungener Abend.”
Das Publikum darf sich in den sechs Städten auf einige neue Songs freuen, sei es von der kommenden EP oder dem kommenden ersten Album. Nicht nur ihr Umfeld weiß die Band zu Ihrem Vorteil zu nutzen, sondern auch die Musikvermarktung und den Wandel der Zeit. Tribe Friday haben dieses Jahr bereits eine EP mit dem Titel “Chasing Pictures” veröffentlicht und im Oktober erscheint nun die dazugehörige Schwester-EP “Waiting For A Sign”. Auf die Frage, warum die Band nicht einfach ein Album aus diesen zwei EPs macht und herausbringt, erwidert Noah: “Wir haben zwar alles als Album aufgenommen, aber die Art, wie die Leute heutzutage Musik hören, ist anders als früher. Heutzutage ist die Aufmerksamkeitsspanne der Hörerschaft sehr kurz. Wir mögen alle Songs, die wir geschrieben haben, daher wollen wir, dass jeder einzelne Song so viel Aufmerksamkeit und Wertschätzung wie möglich bekommt. Würden wir alle Tracks auf einmal veröffentlichen, würden einige in Vergessenheit geraten. Wir adaptieren quasi nur den modernen Weg des Musikhörens. Und es ist irgendwie eine coole Idee mit den Schwester-EPs.”
Ein neues Musikvideo ist bereits unterwegs und die neue Single “Loosie” ist seit letzter Woche auf allen Streaming Plattformen verfügbar. Als junge Band haben Tribe Friday abschließend noch einen Tipp an gleichaltrige aufstrebende Bands und Musiker: “Wenn du wirklich gern Musik machst, ist das cool, aber wenn du es zu deinem Lebensprojekt machst, ist das etwas gänzlich anderes. Sei dir bewusst, auf was du dich einlässt. Wenn das einmal ins Rollen kommt, darfst du keine Bedenken haben.”
Die Tourdaten sind:
17.09 Berlin - Huxley's neue Welt
19.09. Wuppertal - Utopia
22.09. Hannover - Béi Chéz Heinz
23.09. Dortmund - Subrosa
24.09. Göttingen - Musa
26.09. Oldenburg - Cadillac
Jan-Severin Irsch
Jan-Severin macht seit er denken kann Musik. Durch verschiedene Chöre, Bands und Lehrer ist er mittlerweile Lehramtsstudent für Musik mit Hauptfach Gesang, ist Sänger seiner eigenen Alternative/Punkrock-Band und Teil eines Barbershop-Chores in Köln. Von Klassik bis Jazz, von Chor- bis Punkrockmusik hört und spielt er alles gern. Ohne Musik geht nicht.