Books from Boxes - Wolfgang Welt mit "Ich schrieb mich verrückt"
09.07.2024 | Moritz Zelkowicz
Buddy-Holly-Fan, Schnurrbartträger, eine Stimme des Ruhrgebiets, die Nemesis von Heinz Rudolf Kunze, Verreißer von Herbert Grönemeyer, Fan von Herbert Grönemeyer. Wolfgang Welt war so vieles, doch nichts davon trifft vollends auf ihn zu.
Welt, geboren 1952 in Bochum ist stark geprägt von seiner Herkunft, dem Ruhrgebiet. "Der eine Opa starb nach einer Schlagwetterexplosion, der andere Öppes ging nach 25 Jahren Pütt buchstäblich kaputt." Doch Wolfgang hat ein wenig mehr auf dem Kasten als seine Vorfahren. Im Alter von 11 Jahren entdeckt er auf der Kirmes in der Dördelstraße die Musik, in Form von "Brown Eyed Handsome Man" original von Chuck Berry, aber gecovert von Buddy Holly. Die Version wurde erst nach Buddy Hollys Tod zum Hit für ihn.
Jedoch war Welt zu jung für diese Entdeckung. Er wird Teil der Generation Zaungast: Zu jung für Rock 'n' Roll und die '68er, zu alt für Punk.
Doch seine Begeisterung für die Musik ist geboren und sie ist stark. Mit 16 ist er auf seinem ersten Konzert, nach seinem Abitur will er studieren, entdeckt die Werke von Hermann Lenz, verliebt sich in Hesses "Steppenwolf" und Kafkas "Die Verwandlung" und beschließt daraufhin Schriftsteller werden zu wollen. Doch bevor er als Schriftsteller durchstartet, beginnt er seine "Fingerübungen", denn er wird Musikjournalist. Und er ist in seinen Worte knallhart, Herbert Grönemeyers zweites Album gerät unter Wolfgang Welts Räder, entgegen der Meinung der breiten Journalie. Mit Grönemeyer söhnt sich Welt später aus, mit Heinz Rudolf Kunze sieht das anders aus. Denn es ist nicht nur seine Musik die Welt missfällt, besonders dessen Attitüde ist Grund für viele vernichtende Kritiken.
Obwohl er immer öfter in aller Munde ist, verdient er nicht genug mit seinen Texten. Er lebt bei seinen Eltern, macht mehrere Jobs um seine Schulden im Rahmen zu halten, seine Psyche ist stark angeschlagen. Welt leidet unter manischen Depressionen, professionelle Hilfe ist Anfang der Achtziger noch nicht wirklich en Vogue. Seine Texte handeln immer öfter vom Tod und von Sex, eine Kritik an seinen Texten nennt ihn "Oversexed und Underfucked". Es endet für ihn in einer geschlossenen Psychatrie, wo ihm eine schizophrene Psychose diagnostiziert wird, mit manisch depressivem Einschlag. Sein Weg Richtung Heilung ist auch ein literarischer Prozess für ihn. Seine eigene Geschichte soll die Vorlage sein. "Oder war ich tatsächlich der größte Schriftsteller aller Zeiten, der nicht mehr schreiben musste, sondern durch sein schieres Leben Literatur erzeugte?“
Und es entsteht sein erster Roman "Peggy Sue", benannt nach seinem Lieblingssong von Buddy Holly. 2006 folgt sein großer Erfolg „Buddy Holly auf der Wilhelmshöhe“.
Besonderer Inhalt seiner Texte ist stets die Liebe zu seiner Mutter, die ihn immer wieder aufnimmt, egal was mit ihm passiert. Er kann nicht tiefer fallen, als in Ihre offene Hand.
Wolfgang Welt hat sich buchstäblich verrückt geschrieben. Wobei natürlich auch seine Herkunft keine untergeordnete Rolle spielt. Diese Sammlung an Texten ist ein Querschnitt durch Wolfgang Welts Welten, durch seine Jugend, seinen Werdegang, seine Krankheit, seine Mutter und alles was ihn bewegt hat, positiv wie negativ. Er war und ist immer noch streitbar, man muss nicht mit ihm einer Meinung sein, doch sein musikalischer Sachverstand geht aus jedem seiner Texte heraus. Außer vielleicht bei Texten über Heinz Rudolf Kunze, dort wird es mit der Zeit immer persönlicher. Seine größte Stärke ist vielleicht sein Talent, komplexes verständlich zu machen und Musik zu erklären. Und wer sich das lieber anhören möchte, findet auch eine gekürzte Lesung, gelesen vom hervorragenden und wundervollen Frank Goosen.
Moritz Zelkowicz
Moritz deckt als Franke den Süden Deutschlands ab. Er versucht beständig Teil der Lügenpresse zu sein, ist aber ansonsten im Marketing tätig. Musikalisch ist er überall dabei, ob Punk, Core oder Rap, erlaubt ist, was gefällt.