Folk Punk mit Steffen: Wingnut Dishwashers Union
01.06.2022 | Steffen Schindler
„This Facebook will self destruct. […] Love and respect to the DIY punk and anarchist scene. I put 14 years of my life into them, […]“. Mit einem Text auf seiner Facebook-Seite verabschiedete sich Pat Schneeweis 2015 aus einer Szene und von seiner Musik, mit der er zu diesem Zeitpunkt die Hälfte seines Lebens verbracht hatte. Seine Ansichten hätten sich in den letzten Monaten dramatisch verändert, er sei kein Punk und kein Anarchist mehr, sondern eine gewöhnliche, vielleicht etwas merkwürdige, Person geworden.
Mir fällt kein*e andere*r Künstler*in ein, die*der sich in dieser Offenheit und mit dieser Radikalität aus allem zurückzog, was für über ein Jahrzehnt seine öffentliche Wahrnehmung bestimmt hatte. Zugegeben, diese Öffentlichkeit bestand hauptsächlich aus Punks, Außenseiter:innen und unter prekären Bedingungen Lebenden, aber andererseits war Pat selbst ein Punk, ein Außenseiter und lebte lange unter prekären Bedingungen. Seine „Karriere“ war stets bestimmt gewesen von seiner Offenheit und seiner Radikalität.
Zunächst als Johnny Hobo and the Freight Trains, später mit Ramshackle Glory und als Solo-Künstler unter dem Namen Pat the Bunny machte er „Punk Rock mit den falschen Instrumenten“: Eine Akustikgitarre, seine untrainierte Stimme und das Bedürfnis, seine Gefühle auszudrücken, mehr brauchte er nicht. Vielleicht am besten gelungen ist ihm das auf „Burn the Earth! Leave it All Behind!“, dem letzten Album seines Projekts Wingnut Dishwashers Union.
Es erschien 2009 an einem Wendepunkt seines Lebens. Zu diesem Zeitpunkt war er 22 Jahre alt und einen großen Teil seiner Jugend obdachlos gewesen. Im selben Jahr begann er eine Therapie, um seine jahrelange Heroin- und Alkoholsucht loszuwerden. Hatte er in den nihilistischen Songs, die er als Johnny Hobo aufgenommen hatte, die Selbstzerstörung noch als Akt der Rebellion besungen, klang das auf „Burn The Earth…“ schon anders:
Es ist ein Album voller Zweifel an sich selbst und gleichzeitig voller Hoffnung darauf, dass es besser werden kann, wenn man es will und daran arbeitet. Und das gilt nicht nur für Suchterkrankungen, sondern auch für die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse, an denen Pat fundamentale Kritik übt. „Proudhon in Manhattan“ bezieht sich im Titel auf den frühen anarchistischen Theoretiker Pierre-Joseph Proudhon und entwirft eine Gesellschaft, die auf gegenseitiger Hilfe aufbaut und ohne regulierende Eingriffe einer übergeordneten Instanz auskommt.
In „Jesus Does the Dishes“ stellt er fest, dass so eine Welt kaum möglich scheint, wenn man sich noch nicht einmal aufraffen kann, sein eigenes Geschirr abzuwaschen. Auch Songtitel wie „Fuck Every Cop (Who Ever Did His Job)“ sprechen eine klare Sprache. Gleichzeitig ist „Burn The Earth…“ kein Agitprop-Album, sondern eine sehr persönliche Angelegenheit, die Wünsche, Träume, Hoffnungen, besonders aber auch Zweifel ausformuliert:
Besonders menschlich wird es zum Ende des Albums: In „Just Because I Don’t Say Anything (Doesn’t Mean I’ve Got Nothing To Say)“ spiegeln sich die Hymnen der Hoffnungslosigkeit von Johnny Hobo, hier jedoch als Klagelied. „For A Girl in Rhinelander, WI“ besingt die empowernde Kraft von Musik, so wie schon zu Beginn „Fuck Shit Up (Whanana)“:
All diese Themen kulminieren in „My Idea Of Fun“, das mit fast 7 Minuten Spielzeit für Punk-Verhältnisse fast schon epische Ausmaße annimmt. Hört man auf dem Rest des Albums häufig eine ganze Band, wird dieser Song zum größten Teil von einer Akustikgitarre getragen. Er ist eine Meditation über Einsamkeit, Obdachlosigkeit, Drogensucht, Hoffnungslosigkeit, aber auch über die Kraft von Utopien und Gemeinschaft. Am Ende steht eine tröstende Botschaft:
Was bleibt also von Pat Schneeweis? Es braucht eine Menge Mut, einen so radikalen Cut zu setzen, wie er es getan hat. Aber ihn darauf zu reduzieren wäre genauso falsch wie auf den Drogenkonsum oder seine politischen Positionierungen. Aber in all dem zeigt sich ein Muster: Es ging ihm immer darum, so zu leben, wie er es für richtig hielt. Und dabei offen genug zu bleiben, um auch anders leben zu wollen. Und vielleicht wird er das so nicht mehr unbedingt hören wollen, aber: What’s more punk than that?
Steffen Schindler
Steffen dankt Nirvana dafür, dass sie die Jugend auf dem Dorf erträglich gemacht haben. Seitdem ist er dem Klang der elektrischen Gitarre verfallen. Mittlerweile studiert er in Berlin Geschichte und Kulturwissenschaft.