Liebe geht durch die Ohren: der Leitfaden für das perfekte Mixtape
13.02.2025 | Hermann Breitenborn

Morgen ist Valentinstag. Keine Sorge, ihr bekommt noch genügend Benachrichtigungen von Blumenläden und Pralinenherstellern. Das heißt, wie jedes Jahr im Februar stehen sowohl Turteltäubchen als auch langjährige Paare vor der Entscheidung, den Tag großzügig zu ignorieren oder sich etwas für die geliebte Person zu überlegen. Wenn ihr zur zweiten Gruppe gehört und euch Blumen, Restaurant oder Kino zu langweilig und/oder unpersönlich sind, macht’s doch wie immer mehr Bands und nehmt mal wieder eine Kassette auf. Die Älteren unter euch erinnern sich vielleicht noch an das Gefühl, so ein kleines Magnetband mit besonderen Stücken zu bespielen. Dafür gab es grundlegend zwei Gründe: man möchte dem Schwarm Avancen machen oder den Kumpels beweisen, dass man den ausgefeilteren Geschmack hat und die cooleren Tracks kennt.
So ein Mixtape als Liebesbrief ist mittlerweile aus der Mode gekommen, obwohl gleichzeitig Musikkassetten eine Renaissance erleben - also warum nicht einfach mal mitmachen? Und wer jetzt Respekt vor der Mission Mixtape hat, für den hab ich hier ein paar brandheiße Tipps und ungeschriebene Gesetze (mit denen ich zumindest meine Frau seit knapp 10 Jahren überzeugen kann).
Womit Aufnehmen?
Am Anfang steht die Hardware, weil irgendwie soll die Musik ja auf’s Band. Glücklicherweise müsst ihr nicht viele 100 Euro in die Hand nehmen, um ein technisch überarbeitetes Vintage Tapedeck mit Walnussholz-Verkleidung aus dem Profi-Bastler-Hifi-Shop zu kaufen. Günstige CD-Kassetten-Kombis und Ghettoblaster kriegt man auf Kleinanzeigen und Flohmärkten mit etwas offenen Augen schon für 10-20€. Achtet darauf, dass sie am besten einen Mic- oder Line-Eingang haben, um von etwas anderem als dem verbauten CD-Laufwerk aufzuzeichnen. Alternativ erlebten wir vor kurzem das Comeback, von dem wir nicht wussten, dass wir es brauchen: Verschiedene neue Walkman-Modelle mit Bluetooth Funktion bringen die Kassetten-Technologie ins 21. Jahrhundert und verfügen oft über eine Record-Funktion.

Worauf aufnehmen?
Man kann sie tatsächlich noch neu kaufen, diese MCs, die jahrelang Alpha und Omega des mobilen Musikgenusses waren. Doch tatsächlich sollten wir die alten Kassetten nicht unterschätzen, auch wenn sie vom Vorbesitzer schon mit Kuschelrock 87 oder Bravo Hits 5 bespielt wurden. Meistens sind sie besser verarbeitet als alles, was ihr heute noch nachkaufen könnt und klingen selbst nach all den Jahren oft noch besser. Auch hier wieder: Augen auf beim Flohmarktbesuch oder Kleinanzeigen. Ihr könnt auch mal euren Keller oder den elterlichen Dachboden durchforsten nach alten Hörkassetten. Ein Mixtape auf einem Benjamin Blümchen oder Bibi Blocksberg-Band garantiert euch schon mal einen ersten Lacher. Dann aber nicht vergessen: Die beiden rechteckigen Aussparungen oben an der Kassette vor der Aufnahme mit Klebeband überkleben. Damit wird der Kopierschutz außer Kraft gesetzt. Möglicherweise müsst ihr das auch bei alten Leerkassetten machen, wenn die Vorbesitzer die kleinen Plastikteile zum Schutz ihrer Aufnahmen rausgebrochen haben. A-Seite zurückspulen und los geht's! Naja fast, der Beginn jeder Kassette ist ein unbespielbares Plastikband, bevor das eigentliche Magnetband startet - hier einfach mit dem Finger das Band so lange weiterdrehen, bis an der Unterseite der schwarze Streifen sichtbar wird. Tut ihr das nicht, lauft ihr Gefahr, dass die ersten Klänge eures Openers nicht aufgezeichnet werden.

Der Opener
Jetzt tun wir mal Butter bei die Fische, was kommt denn auf so eine Mixkassette? Die Vorstellung, umringt von unzähligen Platten zu sitzen und nur das richtige Vinyl aus dem Sleeve ziehen zu müssen, ist zwar sehr romantisch, aber doch eher unrealistisch für die meisten. Daher soll an dieser Stelle gesagt sein: Es ist kein Sakrileg beim Streaming-Dienst eurer Wahl eine Playlist zu erstellen und sie auf Kassette zu überspielen. Der Anfang ist dabei meist das Schwierigste und sollte wohl überlegt sein. Das erste Lied ist das wichtigste Stück auf dem ganzen Tape. Teilweise habe ich länger über Lied 1 nachgedacht, als über den Rest des Tapes. Hiermit setzt ihr nämlich ganz klar fest, worum es geht. Stimmung, Stil, Ton, Geschwindigkeit, Gefühl, all das klingt im ersten Lied mit an. Ihr braucht also etwas, das Aufmerksamkeit auf sich zieht, das neugierig macht und buchstäblich für die nächsten 90 Minuten den Ton angibt. Gleichzeitig sollte damit nicht bereits alles gesagt sein, also passt auf, dass ihr nicht bereits eure ganze Munition verschießt.
Hört mal die Opener eurer Lieblingsalben (oder die des Empfängers oder der Empfängerin) an und versucht herauszufinden, was sie zu einem guten ersten Titel machen. Bauen sie langsam auf und steigern sich zum Drop, der ankündigt: "Hier bin ich!", oder geht ihr gleich in die Vollen und startet direkt rein? Passt dann nur auf, dass ihr die Energie haltet und der zweite Titel nicht zum Schnarcher wird. Bonuspunkte gibt es übrigens, wenn ihr einen Eröffnungssong findet, der nicht auch gleichzeitig ein Album-Opener ist.
Wie geht's weiter?
Rob Gordon in High Fidelity formuliert es am besten, wenn er sagt: Ihr drückt eure Gefühle mit den Worten einer anderen Person aus. Und es geht sogar noch weiter: Auf ein normales 90-Minuten-Tape passen so plusminus 28 Songs, von wahrscheinlich 28 unterschiedlichen Personen, alle mit einzigartigen Stimmen und Stilen.
Da ist es wichtig, einen roten Faden oder ein Motiv zu haben. Das kann konkret sein, wie eine Lieblingsfarbe oder ein Urlaubsziel, aber auch abstrakt, ein bestimmter Vibe zum Beispiel. Wichtig auch: die meisten Tapes gehen nicht genau 45 Minuten pro Seite, zwischen 44 und 47 ist alles drin. Bei einem Punk-Mixtape kann das gern mal 3 Songs mehr oder weniger bedeuten und bei Doom-Metal schneidet ihr womöglich das Ende von Song 3 ab. Genau wissen kann man das vorher nie, also seid vorbereitet. Überlegt, was die zu beschenkende Person mag und gern hört, ein Stück des eigenen Lieblings-Artists kommt auch immer gut. Wenn ihr einen Song einer Band auswählt, die ihr bereits gemeinsam live gesehen habt, schaut doch mal nach einer stimmigen Live-Aufnahme. Damit versetzt ihr euch direkt an den Abend zurück. Hört mal in den Soundtrack des Lieblingsfilms der oder des Beschenkten. Auch eine exotische Coverversion kann gut ankommen. Insgesamt solltet ihr aber nicht zu exotisch sein. Ein Mixtape voller Neuentdeckungen kann spannend sein, aber streut hier und da was Bekanntes, Klassiker oder Evergreens zum Mitsingen ein. Das sind super Anker, an denen ihr euren roten Faden spinnen könnt.
Die B-Seite
Der erste Track nach dem Umdrehen der Kassette ist sowas wie ein Opener in der Light Version. Hier könnt ihr noch mal die Richtung oder das Genre wechseln, ihr wollt ja die Spannung halten. Nichts ist schlimmer für ein Mixtape als schon zu wissen, was als nächstes kommt. Also seid auch immer etwas unberechenbar und versucht ausgefallene Kombinationen, Hauptsache der Übergang klingt gut. Ansonsten bleibt dem roten Faden treu und baut eure Dramaturgie so auf, dass sie das Grand Finale vorbereitet, die letzten 2-3 Lieder müssen sitzen und die hörende Person lachend, weinend, mit einem dicken Grinsen zurücklassen. King Class ist, wenn ihr einen perfekten Bogen schafft und der letzte Song eine Brücke zum Opener schafft, sodass man es gar nicht erwarten kann, von vorne zu hören.
Was sind No-Go's?
Mixtapes sind absolut persönlich, daher müsst ihr größtenteils selbst entscheiden oder herausfinden, was Tabus für euer Gegenüber sind. Persönlich würde ich nie zwei Songs desselben Artists auf ein Mixtape packen, schon gar nicht auf derselben Seite (es sei denn, es ist ein Best Of). Wie bereits geschrieben: Experimentiert, aber seht auch ein, dass manche Kombis sich so anhören, wie Schlumpfeis mit Champignon-Zwiebelsauce schmeckt, nämlich äußerst gewöhnungsbedürftig. Nur wenige solcher steilen Kombinationen stellen sich wirklich als neuer Ohrenschmaus heraus, also seid auch immer selbstkritisch und hört lieber 2-3 Mal hin. Ich weiß wie sehr es schmerzt, diesen einen Track rauszuschmeißen, aber manchmal ist es das Beste für das Gesamt-Klangbild. Wenn euer Schwarm allerdings auf Schlumpfeis mit Champignon-Zwiebelsauce steht, dann Go For It!
Finishing Touches
Ein Mixtape ohne Artwork ist wie Stand Up Comedy von Mario Barth, ziemlich witzlos. Dafür müsst ihr keine Künstler oder Künstlerinnen sein und auch kein Photoshop beherrschen - wenngleich es sehr nützlich ist. Auch hier ist die einzige Hürde eure eigene Kreativität: Kritzeleien, Sticker, Wachsmaler - alles ist erlaubt. Was aber auf keinen Fall fehlen darf ist eine Tracklist. Denn nur so können den Liedern auch Titel und Interpreten zugeordnet werden, damit es nicht zu einem jahrzehntelangen Mysterium wird wie kürzlich bei “Subways of Your Mind" von Fex. Ich habe tatsächlich Kassetten, bei denen ich seit über 20 Jahren nach einigen Tracks suche, das ist also keine Übertreibung.
Nun aber zum allerwichtigsten: Der Titel. Ihr kauft ja auch kein Album, das keinen Albumtitel hat. Als Arbeitstitel ist sowas wie “Mein tolles Mixtape” noch ok, aber spätestens wenn ihr es verschenken wollt, solltet ihr euch etwas cooleres überlegen. Gibt es da einen Songtitel, der sich adaptieren lässt? Wie fühlt sich das Tape an, wenn ihr nur zuhört und die Augen schließt? Verbaut auch gern einen Insider, um eine persönliche Ebene zu schaffen. Ein Witz, eine Anspielung, orientiert euch an eurem roten Faden und dem Gefühl, das euch durch das Tape geführt hat und brecht es runter auf einen kurzen, griffigen Titel.

Fertig ist es, euer eigenes Mixtape, mit handverlesenen Stücken für die besondere Person. Jetzt heißt es nur noch gemeinsam hören, schwelgen und einen ganz besonderen musikalischen Valentinstag feiern. (Letzter Tipp: so ein Mixtape eignet sich auch für jeden anderen Anlass oder auch mal zwischendurch)

Hermann Breitenborn
Hermann ist Videoredakteur im Miniatur Wunderland und Co-Host des Podcasts Ja, hier…Filme. Vom Kleidungsstil hängen geblieben irgendwo zwischen 1985 und 2005 geht es bei ihm musikalisch auch meistens nostalgisch zu, wobei von leise bis zu laut alles dabei sein darf.