Es ist ein gewöhnungsbedürftiges Umfeld und ein seltsamer Blick, von der Bühne in die Scheinwerfer der Autos und nicht direkt in die Augen der Fans zu schauen. Letztere lassen sich von den Sonderumständen aber nicht die Laune verderben. So ausgelassen wie es eben geht singen sie allesamt aus voller Kehle mit. Vielleicht einer der wenigen Momente, in denen sich deutsche Autofahrer bei allem einig sind und es nicht darauf ankommt, ob man mit Familienkutsche oder sportlichem Cabrio unterwegs ist.
Als Montreal die Bühne betreten, schallt es Jubel und Beifall aus der “Menge“. Eifrig wird auf die Autodächer geklopft (aber Vorsicht mit den Ringen) und die mitgebrachten Lautsprecher angeschlossen. Durch eine vorher eingestellte Radiofrequenz wird die Musik direkt ins Auto übertragen, sodass alle in ihren Wagen bleiben, um den Abstandsregeln während Coronazeiten gerecht zu werden. Man muss es ihnen lassen, auf der faulen Haut liegen Montreal nicht, auch wenn sie es so in dem gleichnamigen Song besingen. Das wurde ja während der Hochphase des Lockdowns schon zu genüge getan. Für alle ist es Neuland und doch haben alle großen Spaß. Mitgebrachte Snacks und Getränke auf den Autodächern und ein großartiger Auftritt von Montreal, die untergehende Abendsonne – wie im Bilderbuch. "Endlich wieder Diskozeit", schallt es durch die Autolautsprecher. Die Fenster runtergekurbelt sitzen die Gäste in der Tür und tanzen so gut es eben geht mit, während der provisorische Merchandise-Stand à la Bollerwagen seine Runden dreht.
Trotz der Distanz zieht es dann doch zwei Drittel der Band ins Autopublikum. So verlässt Schlagzeuger Max Power sein Instrument um den Fans näher zu sein, während einige (natürlich) Montreals Lied „I wish Max Power ruled the world“ anstimmen. Power hat er allemal am Schlagzeug, nur ist die Bühne dann doch zu hoch und so scheitern er und Sänger Hirsch beide am Versuch, sich wie ein Actionheld an der Bühne wieder hochzuziehen. Letzterer lässt es sich auch nicht nehmen, auf ebenerdiges Level herabzusteigen und läuft, sehr zur Freude der Fans, mit dem Mikrofon bewaffnet durch die Reihen, um auch jede*n zum Mitsingen zu bewegen. Kaum ist er unten, rennt allerdings die Presse hinter ihm her und nicht wie üblich die Fans; ein seltenes Bild für Liveauftritte.
Das Publikum dankt es Montreal, dass sie angereist und aufgetreten sind. Man spürt deutlich, wie sehr die Livemusik und das Konzertfeeling bei allen so lange fehlten. Jede Altersgruppe ist vertreten, ob enge Freundesgruppe, das erste Date oder Eltern mit ihren Kindern. Es ist ein schönes Geschenk in Coronazeiten, vor allem für die Familien als kleiner Urlaubstrost. Alle hoffen, dass bald wieder Konzerte mit der gewohnten Normalität möglich sind und es heißt: Endlich wieder Diskozeit.