Wehmütig setzte ich mich am Freitag auf mein Fahrrad und fuhr die sechs Kilometer Richtung Maasen, einem Dorf, das auf jeder Festival-Karte verzeichnet sein sollte. Die Wehmut rührte daher, dass ich nur den ersten Tag miterleben konnte, eine Familienfeier hinderte mich daran, auch am Samstag dort zu sein.
Außer den Hinweisschildern deutete nichts auf ein musikalisches Ereignis hin, denn das Festivalgelände lag im Dorfkern. Am Ziel hieß es Fahrrad sicher abstellen, Bändchen holen und schnell zum Einlass, da mit Bucketlist der Opener des Festivals schon begonnen hatte. Es mag an der Hitze des Nachmittags oder am Freibier gelegen haben, dass sich zu Beginn nur ein Dutzend Menschen vor der Bühne einfand. Diese feierten aber mit der Band, der mensch den Spaß an ihrer Musik deutlich anmerkte.
Unter den Feiernden befand sich auch eine Gruppe junger „uniformierter“ Menschen, die das Festivals als Schauplatz ihres Junggesellenabschieds nutzten - eine abgefahrene und total sympathische Idee.
Nach der ersten Umbauphase stand mit Blacktoothed eine Band auf der Bühne, die ihren Modern Heavy-Pop-Rock überzeugend spielte. Auch hier war das Publikum eher verhalten, gelegentlich wurde getanzt, die ersten Haare flogen rhythmisch auf und nieder. Aber hier wurde insgesamt das Festivalproblem sichtbar, dass den frühen Bands häufig zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.
In der Pause kamen vier junge Männer auf mich zu – allesamt Mitglieder der Band May Be Tomorrow, die beim ersten Festival gespielt. Ich habe sie auf der High Flames Warm-up Party im März im Sulinger Jozz fotografiert. Cooles Gefühl, von einer Band wiedererkannt zu werden. Ihre Begeisterung für das High Flames war so groß, dass sie gleich das ganze Festival mitgenommen haben – sie haben gecampt.
Chiefland mussten sich anschließend dann auch eher mit wenigen Zuschauern begnügen, auch, weil ihr Emo-Hardcore doch eher ruhigere Töne anschlug. Musikalisch hat mich die Band aber dennoch überzeugt.
Die Pausen auf einem kleineren Festival wie dem High Flames bieten immer wieder die Chance, interessante Menschen kennenzulernen. Einer dieser Menschen ist ein örtlicher Busfahrer. Vor vier Jahren zog er aus Spanien nach Deutschland, um „etwas anderes zu machen“. Im Laufe des Gesprächs erzählte er mir, dass er in Spanien studiert habe und zwar Philosophie. Er hatte aber nicht das Gefühl, dass er in diesem Bereich glücklich werden würde. Nun ist er Busfahrer, fährt Schulkinder und Strecken und ist völlig zufrieden mit sich und der Welt. Manchmal kann das alles so einfach sein.
Mit Artemis Rising betrat für viele Festivalbesucher ein erstes Highlight die Bühne. Zum einen optisch eindrucksvoll - mit kugelsicheren Westen ausgestattet und einem beeindruckend tätowierten Sänger - und zum anderen auch musikalisch und stimmlich kraftvoll lieferte die Band treibenden Electronic Metal. Ihre Musik wirbelte im wörtlichen Sinne viel Staub auf. Es bildeten sich erste Moshpits und die eine oder andere Wall Of Death wurde zelebriert. Auch füllte sich langsam der Bereich vor der Bühne.
Meine persönliche Überraschung war die Band Catapults mit ihrem Pop Punk, der mich manchmal durchaus an The Gaslight Anthem erinnerte. Die Band versprühte den positiven Charme einer Schülerband, die sich aufmacht, die weite Welt der Festivals zu entdecken und sich vorgenommen hat, alle Menschen mit Spaß und Liebenswürdigkeit von sich zu überzeugen. Ich kann nur sagen, dass sie das geschafft haben. Ich musste unbedingt an den Merch-Stand und mit ihnen quatschen: herrlich sympathische Menschen. Selbstverständlich, dass ich mir ihre aktuelle Scheibe auf Vinyl zugelegt habe.
Mit Venues trat anschließend der Headliner des ersten Tages auf, der die Energie von Artemis Rising wieder aufnahm und mit ihrem Metalcore das nun doch zahlreichere Publikum wieder zum wilden Feiern animierte. Mir gefiel der Wechselgesang der beiden Sänger:innen, der nicht nur bei mir den Kopf zum rhythmischen Nicken brachte.
Im Laufe des Abends lernte ich noch viele nette Menschen kennen, konnte mit den Organisator:innen quatschen, von denen ich viele persönlich kenne, traf mit großer Freude alte Bekannte wieder, die ich auf dem ersten High Flames kennen lernen durfte. Genau dies macht den Reiz dieser kleinen Festivals aus.
Dem ersten Festivaltag bescherte die Band About Monsters einen würdigen Abschluss. Mit Post Hardcore wurde im Publikum nochmal so richtig abgefeiert. Die inzwischen gut 300 Menschen vor der Bühne tanzten, moshten und feierten den Gitarristen der Band, der sich ins Publikum begab und mit ihnen feierte.
Damit ging für mich ein Festival zu Ende, das wesentlich mehr Aufmerksamkeit verdient hätte, als es über diese zwei Tage bekommen hat. Aber die Organisator:innen waren zufrieden, vielleicht nicht mit der Zuschauerzahl, aber mit dem Verlauf, den anwesenden Menschen und mit dem positiven Gefühl, ihre Leidenschaft eines eigenen Festivals wieder ausgelebt zu haben.
Und so setzte ich mich wieder auf mein Fahrrad, radelte die sechs Kilometer zurück nach Hause. Immer noch wehmütig, aber auch zufrieden und glücklich und mit meiner Platte von Catapults im Arm. Nächstes Jahr schaffe ich es hoffentlich, beide Tage das Festival mitzuerleben.