Es ist mal wieder Sonntag, draußen erfreut man sich angenehmer Temperaturen und anhaltender Helligkeit. Drinnen herrschen alsbald Nebeldunst, Wärme und Dunkelheit. Kind Kaputt und Donnokov spielen im Kulturzentrum K19 in Kassel für ein familiäres Publikum, das sich mit Freude in Bewegung setzt und bis an den Bühnenrand rückt. Donnokov beginnen den Abend mit ihrem schnittigen Post-Punk in bisher unbekannter Aufstellung. Ähnlich wie bei Van Holzen sind Gitarre, Bass und Schlagzeug auf einer Linie nebeneinander aufgebaut. Das steht den Jungs gut, denn der Bewegungsdrang, den vor allem Gitarrist Fabian Kunze und Schlagzeuger Lucas Bruckschlegel ausstrahlen, findet so mehr Raum und den treibenden musikalischen Elementen kommt eine aufgeschlossenere, inkludierendere Ausstrahlung der halbstündigen Show hinzu.
Ein erster Höhepunkt des Abends ist der von beiden Bands gemeinsam performte neue Song „Schere“. Anfangs noch zu dritt auf der Bühne, stoßen im Verlauf erst Kind-Kaputt-Sänger Johannes Prautzsch und dann Gitarrist Konstantin Cajkin auf der Bühne dazu, bevor sogar die Schlagzeuger der Bands die Plätze tauschen. Es ist ein wirklich eindrucksvolles Bild, wie sechs schwarze Gestalten mit deutlich abgefuckter Attitüde einen so kritischen Song wie diesen darbieten. Donnokov spielen darüber hinaus vor allem Tracks von ihrer aktuellen EP.
Kind Kaputt sind mit ihrem Album „Zerfall“ unterwegs und spielen dieses auch in Gänze vor. Dazu mixen sie ihr beinahe schon zum Klassiker herangewachsenes „Wir bleiben hier stehen“ und die Single „Sterben auf Zeit“. Ein Konzeptalbum heißt nicht ohne Grund Konzeptalbum und Kind Kaputt gelingt es, den Spannungs- und Stimmungsbogen ihrer Scheibe unverbogen auch live zu transportieren. Nur wenige Worte finden Platz zwischen den einzelnen Songs, doch tut das auch gar nicht Not, denn Sänger Johannes sagt alles, was gesagt werden soll bereits in seinen Songtexten und zwischen den Zeilen. Das Publikum nimmt die durchdachte und runde Darbietung von „Zerfall“ warm an und auf, wiegt sich mal schwermütig im Takt und setzt sich abrupt in Bewegung, wo es passt. Unterstützt wird die sehr düstere Stimmung der Texte und die kathartische Verzweiflung der Musik und ihrer Ausbrüche durch eine dezente, aber wirkungsvolle Lichtshow und stetig ansteigenden Nebel, in welchem schlussendlich alles versinkt.
Nebst der offensichtlichen Passivität und Ohnmacht, die der Zerfall-Diagnose inne liegt, bieten Kind Kaputt an diesem Abend eine eindrucksvoll detailreiche Obduktion ihrer selbst dar - von der sich jeder Gast eine Scheibe abschneiden können dürfte, ohne sich hinterher wieder zur Gänze zusammenzusetzen. Drummer Mathis Kerscher demontiert final sein Drumset und türmt die Einzelteile zu einer Skulptur der nun eintretenden Nutzlosigkeit auf.
Kind Kaputt kündigten vorher an, keine Zugabe zu geben, sondern das Album und seine Quitnessenz ausklingen und im Nebel ersticken zu lassen. Sie halten sich daran und hinterlassen viele gewichtige Worte und undurchsichtigen Dunst. So geht ein insgesamt mitreißender und aufwühlender Abend zu Ende.