Gut, in die Punk-Schiene kann man die als Abschluss aufspielenden Gewalt eigentlich nicht wirklich stecken, aber auch hier ist schließlich gesellschaftliche Wut das Fundament für das Avantgarde-Noise-Trio um Patrick Wagner. Als fremdartiger Höhepunkt spiegelt die Band ein Ideal wieder, das alle drei des Acts des heutigen Abends eint: Die ihnen innenwohnende Aggression ist noch echt und verfließt nicht in flachem Deutschrock, wie Samsa selbst mit zynischem Fingerzeig auf Feine Sahne Fischfilet kommentiert.
Den Auftakt machen Es War Mord, die ihre Bühne statt mit einem Backdrop lieber mit einem Teppich mit Leichenumriss schmücken. Der kantige Old-School-Punk der Band formuliert dabei tatsächlich ein wesentlich zerrisseneres Weltbild als das so mancher zeitgenössischer Genre-Kollegen – zumindest musikalisch, denn von den Texten ist durch die absolut am Limit spielende Soundkulisse kein Wort zu verstehen. Trotzdem, Es War Mord kommentieren nicht mit hohlen Banalitäten, ihre Musik erschüttert, vielleicht so sehr, dass euphorische Reaktionen nur schwer entlasten könnten. So wird die Show der Band zu einem verstörenden Schauspiel, das mit purer Instrumentalgewalt viel mehr sagt als hundert skandierte Phrasen.
Trend sind etwas weniger wuchtig und klingen trotz dezenter Post-Punk-Anleihen überraschenderweise wesentlich klarer. Die Band spielt ihren ersten Auftritt seit langer Zeit und gibt selbst zu, dass sie das durchaus mit Nervosität erfüllt. Grund dazu gibt es aber eigentlich keinen, denn voller als bei Trend wird es heute nicht mehr. Viele Fans scheinen lange auf diesen Auftritt gewartet zu haben und brüllen entsprechend Zeile für Zeile in voller Inbrunst mit. Getragen voller Euphorie gibt es zum Schluss noch eine Zugabe, die als versöhnlicher Abschluss ein Sahnehäubchen auf einen leidenschaftlichen Auftritt setzt.
Zur Geisterstunde kommen aber schließlich noch Gewalt, und Gewalt sind durchaus kompliziert. Das Hafenklang hat sich zum Auftritt des Trios bereits merklich geleert, und so verweilen fast nur noch diejenigen vor der Bühne, die glauben, dem unerbittlichen Noise der Band gewachsen zu sein. Das gestaltet sich nicht immer als ganz einfach, auch, weil Frontmann Patrick Wagner durchaus seine Eigenheiten hat. Schließlich spielt sein Projekt grundsätzlich komplett ohne Beleuchtung, abgesehen von dem konstant wirbelnden Blaulicht, das den Auftritt unheimlich beklemmend macht. Als der Techniker hinter dem Lichtpult zwischendurch trotzdem kurz zu seinen Reglern greift, unterbindet Wagner dies prompt, da er sich „wie auf dem OP-Tisch“ fühle. Gleichzeitig fordert er den Mischer permanent auf, er solle den Sound bei dieser Band „so laut wie noch nie“ drehen. Wagners Bühnenherrschaft wirkt stellenweise durchaus irritierend und erhöht auch im Publikum nicht gerade die Beliebtheit des Sängers. Wer trotzdem durchhält, der wird mit einer Erfahrung belohnt, die weit über die Intensität durchschnittlicher Konzerterfahrungen hinausgeht. Die in der Dunkelheit nicht zu erkennenden Gewalt drücken in die erbarmungslose Kontinuität ihrer Drum-Machine schonungslos verbitterte Nihilismus-Kunstwerke, die die Frage nach dem Sinn der eigenen Existenz mit klaustrophobischer Härte stellen. In ihrem einstündigen Auftritt erschüttert die Band so viele eigene Grundsätze, dass es stellenweise kaum auszuhalten ist, weil so viel Wahrheit dahintersteckt. Der Closer „Wir sind sicher“ verteidigt so auch live seinen Status als wohl intensivster Song des bisherigen Jahres. Den apokalyptischen inneren Krater, den dieser hinterlässt, kann eigentlich niemand ignorieren. Und wer doch, der hat Wagner wohl schon nicht mehr richtig zugehört.