Obwohl Annenmaykantereit gerade einmal ihr zweites Album betouren, ist die Hamburger Sporthalle bereits seit Monaten ausverkauft – und das nicht nur einmal, sondern gleich doppelt, denn die heutige Toureröffnung in der großen Halle ist eigentlich eine Zusatzshow. Noch dazu wird das Quartett Deutschland in den nächsten Wochen wirklich ausgiebig bereisen und auch in den meisten anderen Städten Hallen ähnlicher Dimension mehrfach füllen. Obendrein waren Annenmaykantereit erst vor wenigen Wochen noch auf Clubtour, die sie unter anderem ins Hamburger Mojo geführt hatte – das natürlich ebenfalls ausverkauft war. Die Zahlen dieses gigantischen Popularitätsschubs sind für den deutschen Raum fast beispiellos, und das, obwohl (oder gerade weil) der musikalische Aufwand der Band sich auf das absolut Minimum beschränkt. Schon aufgrund dieser Tatsache ist das Betreten der riesigen Sporthalle ein ehrfürchtiges Erlebnis, zu dem die erstaunlich schmale, ganz in schwarz verhüllte Bühne eigentlich kaum passen möchte.
Etwas weiter entfernt von der konzeptuellen Einfachheit sind Giant Rooks, deren gigantischer Aufstieg ebenfalls kaum in Worte zu fassen ist und die als Support heute freudig erzählen, dass sie das größte Konzert ihrer Karriere spielen dürfen. In Anbetracht der gigantischen Dimensionen dieses Gigs wirkt der Auftritt des Quintetts aber beeindruckend versiert. Frontmann Frederik Rabe hat das Publikum bereits nach den ersten paar Tönen seiner markanten Singstimme auf seiner Seite, der enorm austarierte Folk-Pop der Band tut ihr Übriges. Giant Rooks inszenieren ihre wohlüberlegten Songs mit wahrhaftiger Brillanz, Rabe hat neben seinem Mikrofon eine einzelne Drum stehen, die er an den richtigen Stellen wohlbedacht einsetzt und damit äußerst plastisch die Detailverliebtheit der Band demonstriert. Erst am heutigen Tag hatte das Quintett seine dritte EP „Wild Stare“ angekündigt – entsprechend präsentiert die Band auch einige neue Songs, die vom Publikum mit viel Begeisterung konnotiert werden.
Als Annenmaykantereit dann schließlich ihren Auftritt beginnen, wirkt es so, als würden sie einen systematischen Kontrapunkt zu Parkway Drive setzen wollen, die vor einigen Wochen in der selben Halle ihr Konzert mit einem Fackelzug und Pyro-Gigantismus gestartet hatten. Die Stars des heutigen Abends schalten hingegen noch nicht einmal das Licht aus, als sie schüchtern aus dem noch immer die Bühne verhüllenden Vorhang hervortreten. Sie beginnen ihr Set mit „Marie“ und ebenso wenig Extravaganzen, wie es alle bisherigen Vorzeichen des Abends vermuten ließen. Gigantisch wirkt lediglich der Chor der Fans, der jedes Wort des Songs akkurat wiederzugeben vermag und dem minimalistischen Akustik-Song ungeahnte klangliche Kraft verleiht – ein Bild, das sich im Lauf des Abends kontinuierlich fortsetzen wird. Ganz ohne Show bleiben Annenmaykantereit dann aber doch nicht. Nach ein paar Songs öffnet sich der mysteriöse schwarze Vorhang und eine Konstruktion aus vielen hängenden Papieren kommt zum Vorschein, die mit einem Projektor stilvoll in Szene gesetzt werden. Auch hier entfaltet ein verhältnismäßig geringer Aufwand den größtmöglichen Effekt, der sich zum Schluss des Sets auf absurde Weise zeigt. Als Annenmaykantereit ihre Zugabe von der Tribüne der Halle beginnen, versteht noch keiner so recht, dass dies bereits der Extra-Block nach dem regulären Set ist. Als sich die Band dann tatsächlich verabschiedet, ist das Publikum darüber teilweise geradezu empört und fordert noch minutenlang mehr Songs. Dieser Bitte wird die Band heute nicht nachkommen. Aber mit viel Ruhm muss man schließlich manchmal auch ein wenig für sich realisieren.