Das Beste an Konzerten in der eigenen Stadt ist ja immer, dass damit so wenig logistischer Aufwand verbunden ist. Keine Anreise mit unzuverlässigen Verkehrsmitteln, kein unterschwelliger Stress, dass man den letzten Zug nach Hause noch erwischt. Den Weg zur gerade mal 400 m von meiner WG entfernten Venue trete ich an diesem Freitagabend schlappe fünf Minuten vor Beginn der Show an. Wer allerdings schon mal längere Zeit in Osnabrück verbracht hat, weiß, dass 400 Meter völlig ausreichen, damit das Osnabrücker Wetter einen einmal kurz komplett durchnässt. Selbiges ereignet sich auch an diesem Abend. Triefend, aber pünktlich, stapfe ich kurz darauf in den Konzertraum der Kleinen Freiheit, wo die Supportband Ramkot gerade auf die Bühne kommt.
Das Trio aus Belgien wird in einschlägigen Medien als große Rock-Hoffnung des Landes angepriesen. Entsprechend neugierig bin ich auf den Auftritt. Und tatsächlich bin ich nach der knappen halben Stunde Supportset ein bisschen sprachlos. Allerdings weniger angesichts der grandiosen musikalischen Performance, sondern eher aufgrund des Faktes, dass ich selten eine so generische Rockband erlebt habe. Ein Sound ein bisschen wie Royal Blood, aber ohne den halbironischen Swagger der beiden Briten, und eine Ästhetik, die hip genug ist um Anfang-20er-Indiekids zu gefallen, die aber auch Boomer, die sich sonst beschweren, dass “Bands heutzutage ja gar keine richtige Musik mehr machen” noch anerkennend abnicken können. Dass soll nicht mal heißen, dass Ramkot irgendwie schlechte Musik machen würden, oder dass ihre Show an diesem Abend unterwältigend gewesen wäre, sie lassen nur einfach jegliches Alleinstellungsmerkmal vermissen. Tatsächlich muss ich mich schon beim Schreiben dieses Textes wenige Tage nach der Show anstrengen, um mich noch an irgendwelche Details des Auftritts zu erinnern.
Eine recht flotte Umbaupause später verdunkelt sich das Licht im Saal und freudige Erregung stellt sich ein. An dieser Stelle sei kurz eine architektonische Besonderheit der Kleinen Freiheit erwähnt. Der (in diesem Fall irrtümlich so genannte) Backstage befindet sich nicht hinter der Bühne, sondern hinter dem Publikumsraum. Zwangsläufig müssen die fünf Bandmitglieder also durch den Publikumsraum zur Bühne, was sich bei der doch recht vollen Location als schwierig erweist. Einige “Excuse me” später erklimmen Frontmann Torre Florim und der Rest der Band die Bühne. Besagter ist stilsicher gekleidet in einen weißen Anzug mit schwarzer Schleife und sieht mit seinem – naja, sagen wir eigenwilligen – Tanzstil aus wie eine Mischung aus manischem Priester und dem etwas zu lustigen Kellner in einem etwas zu feinen Restaurant.
Die Setlist umfasst heute ganze 18 Songs, De Staat spielen sich dabei einmal quer durch ihr Gesamtwerk, legen den Fokus dabei aber doch auf die aktuelle EP-Kollektion “Red/Yellow/Blue”. Selbstverständlich kommen aber auch die Hits nicht zu kurz. Ein großes Highlight darunter ist Fan-favorite Track “Pikachu”, bei dem Florim und Keyboarder und Stilikone Rocco Bell ein irrwitziges Dance-Battle starten, dass nach einigen Minuten auch nicht mehr auf der Bühne, sondern im Publikumsraum stattfindet. Den wird Torre Florim noch einige weitere Male während der Show aufsuchen, wenn er nicht gerade die eigentlich viel zu kleine Bühne entlangtanzt und wie ein wildgewordener Dirigent Richtung Menge fuchtelt. Die ist allerspätestens beim “letzten” Song “Witch Doctor” komplett in Party-Ekstase. Die wiederum äußert sich in einem Circle Pit um den Frontmann, an dem sich mindestens die Hälfte aller Anwesenden zu irgendeinem Zeitpunkt beteiligt. De Staat beenden diesen denkwürdigen Abend mit “Phoenix”, “Who’s Gonna Be The Goat” und dem Überhit “Kitty Kitty”. Nach circa 110 intensiven Minuten spuckt mich also die Kleine Freiheit wieder aus. Erschöpft und glücklich begebe ich mich auf den immernoch verregneten Heimweg. Zum Glück sind’s ja nur 5 Minuten…