Was immer Fucked Up seit ihrer neuen Platte sein mögen – beliebt sind sie in jedem Fall. Das Hamburger Knust füllt sich am heutigen Abend rasant und wird spätestens nach dem Auftritt der Supportband Chastity an seine maximale Kapazitätsgrenze gebracht. Ebenjene Kombo, die die Stars des Abends aus ihrer kanadischen Heimat mitgebracht haben, erweist sich auch als überaus passender Opener. Der wüste Hardcore-Punk der Band erinnert an große Genre-Vertreter wie Clowns oder eben die frühen Fucked Up. Auch Bezüge zu den mittlerweile eher im Grunge beheimateten Swain sind angebracht – und das nicht nur, weil Frontmann Brandon Williams mit seiner wuscheligen Mähne durchaus Ähnlichkeiten mit Swain-Sänger Noam Cohen hat. Williams‘ Vokal-Stil ist weniger aggressiv, die Musik seiner Kollegen dafür umso mehr. In 30 Minuten gelingt es Chastity daher grandios, die Art von Hardcore zu inszenieren, zu der man kompromisslos moshen und gleichzeitig Ohrwürmer von den Hooks bekommen kann – und das ganz ohne cheesy zu sein.
Trotzdem gibt es keinen Zweifel daran, wer die Helden des Abends sind. Fucked Up werden bei ihrem Antritt freudig begrüßt, und das, obwohl das Publikum mit den neuen Songs zumindest in Teilen seine Schwierigkeiten zu haben scheint. Natürlich waren die Kanadier schon immer nicht gerade für blinden Einminüter-Hardcore bekannt. Was die Band aber gerade in den ersten Minuten ihres Sets inszeniert, gleicht eher einem Jazz-Jam als einem Hardcore-Konzert. Natürlich keift Frontmann Damian Abraham unentwegt in sein Mikrofon, seine Kollegen an den Instrumenten sind dabei aber absolut unberechenbar, drosseln das Tempo immer wieder, um nur kurz danach erneut voranzupreschen. Für das Ausspielen einzelner Teile lassen sie sich generell enorm viel Zeit. Das mag den einen oder anderen irritieren, aber es ist schlicht fantastisch und verliert dabei noch nicht einmal etwas von seiner wütenden Hardcore-Gewalt. Begeistertes Mitbrüllen der Hooks gibt es trotzdem vor allem bei alten Songs – da ist das zugegebenermaßen auch ein wenig leichter.
Und wer Angst hatte, dass Fucked Up durch ihre neue Platte zu verkopften Avantgardisten mutieren, der muss heute nur mal auf Abrahams Performance schauen. Fucked Ups Frontmann sieht mit seiner Army-Cap und seinem gut gewachsenen Vollbart eher aus wie ein prolliger Redneck-Pöbel, wirkt aber in den Pausen zwischen den Songs geradezu resignierend. Dass er zum Beispiel ganz offen über den Tod seiner Mutter spricht, mag zunächst überraschen, da Fucked Ups Musik zwar wütend, aber nicht frustriert klingt. Wer sich aber einmal im Raum umsieht, der versteht, dass Abraham hier nicht nur ein Konzert spielt, sondern bei seiner Familie angekommen ist. Ein romantischer Gedanke bei sehr angepisster Musik. Aber Ambivalenz können Fucked Up eben am besten.