Wenn das SO36 ausverkauft ist, merkt man das: Das unfreiwillige Gruppenkuscheln beginnt schon im schmalen Gang, der zum Konzertraum führt und an der Seite von den langen Schlangen vor den beiden Garderoben nochmals verengt wird. Es ist kalt geworden in Berlin, aber Il Civetto sind da, um zumindest dem traditionsreichen Club auf der Oranienstraße einzuheizen.
Den Abend eröffnet Marie Bothmer mit Liebeskummer-Lyrics auf dicken Beats. Und während die Ersten im Saal sich dazu warmtanzen, füllt ein stetiger Strom an unterschiedlichsten Menschen das SO36: Il Civetto ziehen von jungen Pärchen, die eher nach Rap-Fans aussehen über studierende Hipster mit fortgeschrittener Mate-Abhängigkeit bis hin zu cocktailschlürfenden Frauengruppen im besten Alter scheinbar das ganze Spektrum der Hauptstadt an.
Leider scheinen in diesem buntdurchmischten Publikum nicht alle Leute die Memo über rücksichtsvolles Verhalten bekommen zu haben: Da wird vollgepackt mit Drinks durch die ganze Halle gepflügt, lautstark zum Ausweichen aufgefordert und am Platz, anscheinend ohne räumliches Bewusstsein, der hinteren Person beim Tanzen und Applaudieren mehrfach fast eine Kopfnuss verpasst.
Aber zum Glück bewegen sich nicht nur die unangenehmen Zuschauer*innen: eine kollektive Tanzwut verbreitet sich im Saal, als die ersten funkigen Akkorde des Openers „Späti del Sol“ erklingen. Die Arrangements, die auf Platte eher entspannt daherkommen, sind merkbar tanzbarer geworden, fast jeder Song wurde mit einem Break erweitert, in dem die tollen Instrumentalisten im Vordergrund stehen.
Irgendwie logisch folgend, aber gleichzeitig auch völlig unerwartet schält sich an einer Stelle aus so einem Break ein Stück Musik heraus, dass jede*r im Raum sofort erkennt: Il Civetto bringen das SO36 dazu, den Macarena zu tanzen. Aber es wird nicht nur getanzt, sondern auch geknutscht und sogar geweint: Immer wieder betont die Band, wie besonders ein Konzert in der Heimatstadt, vor Freunden und langjährigen Fans, ist. Am Ende ist Saxophonist Lars zu Tränen gerührt.
Aber wenn man drüber nachdenkt, unterscheidet sich dieser Konzertabend kaum von den Guerilla-Konzerten in der U-Bahn, mit denen die Band vor über 10 Jahren begonnen hat: Die unterschiedlichsten Menschen auf engstem Raum hören gemeinsam diese Musik und am Ende wollen alle durch die gleiche Tür nach draußen.