Stattgefunden hat das Konzert vor etwa 15.000 Zuschauer:innen in der Wiener Stadthalle – mit einer unfassbar guten Akustik für eine Halle dieser Größe und exzellenter Organisation drumherum. Kaum Wartezeit bei Einlass und Security, abzugebende Gegenstände (leider auch zu große Powerbanks) wurden mit Sticker versehen und wie bei Garderoben üblich nach der Show gegen Vorlage des Gegenstücks mit Nummer schnell und problemlos wieder rausgegeben.
Den Abend eröffnet die Deutsch-Britin Emily Roberts, die mit ihrer Neuinterpretation von „Bittersweet Symphony“ gemeinsam mit Gamper & Gadoni bekannt wurde - die aber vor allem durch ihre sympathische Bühnenpräsenz besticht. Diverse Zwischenansprachen lockern die Stimmung auf, beispielsweise mit Erzählungen über ihre Mitbewohnerin, die Sängerin Esther Graf, „und wer dann plötzlich alles in unserer Küche sitzt“ (Esther Graf hat Bekanntheit durch das Feature im Alligatoah-Song „Mit dir schlafen“ erlangt). Oder als Emily ihren neuen, noch unveröffentlichte Single „Flowers“ über eine toxische Beziehung mit dem Satz „Wenn ihr das fühlt, dann trennt euch“ anteast. Pop, aber das ist James Blunt nun mal auch durch und durch. Besonders emotional wird es, als das Publikum unaufgefordert beim Liebeskummersong „Dinosaurs“ die Handytaschenlampen erleuchtet, Emily sichtlich gerührt ist und sich bedankt, weil das sonst wohl immer nur mit vorsichtigem Nachfragen zu bewerkstelligen war.
Nach einer halben Stunde ist das Vorprogramm auch schon wieder vorbei und es geht in die Umbaupause für James Blunt.
Opener ist „Breathe“ von der 2013er Platte „Moonlanding“, von der nur noch einzelne Songs folgen sollten. Mit „Wisemen“ und „Carry You On“ geht es eher ruhig weiter und es wurde dafür tief in der Diskografie-Vergangenheit gegraben. Und auch „Adrenaline“ schlägt eher in die ruhigere Kerbe, ist aber erst auf dem Album von 2021 erschienen, nach welchem diese verschobene Tour schließlich benannt wurde. Besieht man sich James Blunts Twitter-Feed, weiß man von seinem (grandiosen!) Humor, der auch auf der Bühne nie zu kurz kommt. So sollte es auch in Wien sein. Nach einigen Deutsch-Sprechversuchen (die erstaunlich gut klingen), fragt er, wo wir eigentlich alle im März 2020 waren, er habe schließlich gewartet. Und das Publikum soll sich nicht zurückhalten, mitzusingen, „if your voices are a bit rusty, fuck off“. Schließlich folgt die vermutlich lustigste Anmoderation des nächsten Songs, die in den letzten zwei Jahren getätigt wurde: „During the pandemic I discovered things I didn’t know existed, I now know I have children. This next song is for my children, whatever their names are.“ Der Song für seine Kinder ist „The Greatest“, der mit einem aufbauenden und motivierenden Text besticht, dass die Welt nur darauf wartet, von jemandem verändert zu werden.
Wie bei den meisten größeren Konzerten gibt es auch bei James Blunt Bildschirme mit der Liveübertragung des Bühnengeschehens, die aber teilweise ein bisschen so wirken, als hätte bei der Gestaltung der Mediendesign-Praktikant freie Bahn gehabt – oder warum sucht man sich runde rote Rahmen um das Video aus?
Die bombastische Akustik der Wiener Stadthalle wird vor allem beim nächsten Song deutlich. James Blunt am Klavier mit „Goodbye My Lover“ und die gesamte Halle singt lautstark mit. „High“ kündigt er mit „The next song is so high, only the girls and dogs can hear it“ an. Es folgen weitere Songs aus allen Zeiten seines Schaffens – besonders in Erinnerung bleiben aber einzelne durch die Performance: Bei „Same Mistakes“ wird das gesamte Bühnen- und Saallicht ausgeschaltet, Licht kommt lediglich von Handytaschenlampen. Es muss aber zugegeben werden, dass das (wie eigentlich immer) mit warmem Feuerzeugschein besser gekommen wäre. Der unendlich emotionale Song „Monsters“, den er für seinen Vater geschrieben hat, wird mit einer Diashow mit Bildern von James und seinem Vater untermalt, die minimalistische Beleuchtung und das Klavier tun ihr Übriges für die Gänsehaut.
Beim Cover von Slades „Coz I Love You“ springt James ganz coronakonform mit Gasmaske ins Publikum und dreht eine Runde durch die Halle, natürlich begleitet von lauter Menschen, die aufspringen, um möglichst nah an die vermeintliche Laufroute heranzukommen. Natürlich muss auch „OK“, der Song von Robin Schulz, mit dem James Blunt vor einigen Jahren nochmal komplett in den Mainstream gespült wurde, gespielt werden und die Bandversion mit treibenden Gitarren taugt auf ganz andere Weise als das originale DJ-Set.
Schließlich ist es nach ganzen 18 Songs „schon“ Zeit für die Zugaben, die Erfolge „1973“ und „Bonfire Heart“ schließen einen gelungenen Abend ab – vor allem, weil James irgendwie plötzlich auf dem Klavier steht? So startet man wohl wirklich gelungen in die Konzertsaison nach der Pandemie.