Die Konzertsaison hat begonnen und das Festivalvolk ist heiß auf die Vollzeit-Shows Ihrer Bühnenlieblinge. Dass Montreal massiv Eigenwerbung machen konnten, zeigen die beträchtlich gestiegenen Zuschauerzahlen bei der „Hier und Heute Nicht“-Tour. Nieselregen und Dunkelheit können an diesem Abend die Vorfreude nicht dämpfen, denn auf dem Programm steht neben dem Hauptact auch ein vielversprechender Special Guest. Hi! Spencer aus Osnabrück haben vor gar nicht allzu langer Zeit das benachbarte Lux bespielt und tasten sich nun allmählich an größere Säle heran. Pünktlich zu Beginn des Konzertes hat sich die Schlange vor dem Capitol bereits aufgelöst und man lauscht gebannt den kernigen Rockklängen einer überaus motiviert wirkenden Vorband. Im Repertoire tummeln sich die wesentlichen Songs der „Nicht raus, aber weiter“-Platte. Neben dem Titeltrack zünden besonders das hitverdächtige „Wo immer du bist“ oder auch das kämpferische „Richtung Norden“. Die Band scheint eine besondere Bindung zur niedersächsischen Landeshauptstadt zu haben - bereits im April kommenden Jahres kehrt man zurück, vielleicht auch schon mit neuem Material? Für heute haben Hi! Spencer viel richtig gemacht und übergeben Montreal ein fast schon überhitzt wirkendes Publikum.
Nach überschaubarer Umbauphase kapern nun die drei Spaßvögel die Bretter, die die Welt bedeuten. Mehr als ein spartanisches Backdrop (O-Ton: „Ein neues Banner wäre zu teuer gewesen.“) und Getränkehalter am Mikrofonständer sind nicht nötig, um ein überzeugendes Gesamtbild abzugeben. Montreal sparen sich die pathetischen Auswüchse eines ausschweifenden Intros und kommen direkt zur Sache – in diesem Sinn (Pop-)Punkrock, wie er im Buche steht. Der wahrnehmbare Anteil an Sauerstoff ist bereits nach den ersten Stücken verschwindend gering und es ist der Band ein Leichtes, den Funken überspringen zu lassen. Spätestens ab „Katharine, Katharine“ sind die gemütlichen Kopfnicker in der Unterzahl. Nach eigener Aussage hat man genau 1049 Karten verkaufen können und nahezu jeder Gast scheint die Tanzschuhe geschnürt zu haben. Trotz anfänglicher Skepsis wurde auch die Empore für das Publikum eröffnet (Was wohl der Wetteinsatz der Alex Mofa Gang gewesen sein wird? Hier war man durchaus geteilter Meinung...) und findet sich nun in einem schweißtriefenden Tollhaus wieder. Eine gute Entscheidung.
Es fehlt zweifelsohne nicht an Songs der aktuellen Platte (Edit: Das nunmehr siebte Studioalbum hinterließ in unserer Redaktion zufriedene Rezensenten. Hauptwertung: 7.4/10 und Zweitmeinung: 7.7/10), doch auch die Band ist sich bewusst, dass man mit den Klassikern den größten Wurf schaffen kann. „Das falsche Pferd“, „Tag zur Nacht“ und „Musik in meinen Ohren“ sind im Konzertkontext unschlagbar und verfehlen auch heute nicht ihre Wirkung. Die Menge tobt und zelebriert schlussendlich noch die heimischen Gefilde. Für das Loblied auf Osnabrück gibt es wohl keinen erfolgsversprechenden Erklärungsversuch. Doch wer braucht schon Kappstadt oder Venedig, wenn man die norddeutsche Provinz zelebrieren kann? Und wenn man bereits dem Nonsens frönt, dann darf man auch zu dem Sound von „120 Sekunden“ einen Zahnputzwettbewerb abhalten. Zähneputzen ist Rock´n´Roll, Fakt.
Zum Schluss erhalten die Konzertbesucher noch hiesige Liveempfehlungen für befreundete Musiker (Alex Mofa Gang & Hi! Spencer). Man darf neben Montreal auch andere Götter haben, so viel Fairness legt Bassist Hirsch an den Tag. Nach rund zwei Stunden Ekstase haben sich alle Beteiligten ein erholsames Wochenende verdient und man entlässt die teils sichtlich erschöpften Anhänger in eine kalte Herbstnacht. Ein gelungener Abend, der eines deutlich gemacht hat: Auch die großen Locations sind kein Hindernis für die Hamburger Musikanten.