Von vorweihnachtlicher Stimmung ist fünf Tage vor Heiligabend ehrlich gesagt (noch) nicht viel zu spüren in der Kölner Schanzenstraße. Es regnet, große Pfützen haben sich auf den Straßen angesammelt und ich schaffe es natürlich genau in einer davon zu parken. Die Gelenke sind nach der Verrenkung und dem Ausstieg über den Beifahrersitz immerhin schon einmal locker. Im Palladium angekommen ist noch circa eine Stunde bis zum Supportact Pablu Zeit. Vor der Bühne stehen bereits einige Leute und unterhalten sich angeregt, aus den Boxen laufen durchweg eingängige Nummern á la "Teenage Dirtbag", die fröhlich mitgesungen werden.
Pablu selbst ist in meinem Kosmos bisher noch gar nicht angekommen, dabei nähert sich sein am meisten geklickter Song "Tausend Dinge" den 600.000 Streams bei Spotify. Als er um Punkt 20:00 Uhr mit seinem Drummer die Bühne betritt, sieht er sich einem mittlerweile gut gefüllten Innenraum gegenüber. Dass die Instrumente außer dem Schlagzeug und dem zwischendurch eingesetzten Keyboard vom Band abgespielt werden trifft nicht ganz meinen Geschmack, ändert aber nichts daran dass Pablu eingängige Popsongs mit emotionaler Tiefe präsentiert, deren Texte durchaus im Publikum bekannt sind und mitgesungen werden. Er betont immer wieder seine Dankbarkeit für Chancen wie diese und verdient sich meine Anerkennung schon dadurch, dass er sich auf eine Bühne dieser Größe stellt und sein Ding macht. Musikalisch erinnern mich seine Songs durchaus an Künstler wie Raum27, auch das trifft grundsätzlich erst einmal meinen Geschmack.
"Diese Nacht ist jeden Kater wert!"
Im Anschluss bedeckt ein schwarzer Vorhang die Bühne, der Bandname QUERBEAT prangt gut sichtbar und von unten beleuchtet darauf. Als dieser Vorhang schließlich fällt, erschafft das Publikum mit bunten Aufklebern auf den Handylampen und den am Eingang verteilten Knicklichtern eine Atmosphäre, wie sie dem Auftakt eines Jahresabschlusskonzerts in der Heimat würdig ist. Mit dem Refrain von "Ja" ("Diese Nacht ist jeden Kater wert, übertrieben unbeschwert") geben Querbeat die Marschrichtung für den heutigen Abend vor, gleichzeitig regnet das erste Konfetti auf die Leute nieder. Was als Schülerband startete, begeistert heute ein ausverkauftes Palladium von der ersten Minute an. Früh spielen Querbeat "Guten Morgen Barbarossaplatz" und ich weiß in den meisten Momenten überhaupt nicht wo ich hinschauen soll. Das liegt nicht nur an den dreizehn Menschen auf der Bühne, die größtenteils mit Blasinstrumenten bepackt darüber turnen und dabei immer wieder einstudierte Formationen einnehmen, sondern auch am Publikum, welches Moshpit um Moshpit startet. Ich habe mittlerweile viele Konzerte im Palladium besucht und über die heutige Aktivität vor der Bühne hätte sich manch deutlich härter einzustufende Band wohl gefreut. Sänger Jojo hat mittlerweile die Regeln des Abends und die Location zum Safe-Space erklärt. Köln hält sich soweit ich das beurteilen kann bestens dran.
Seit Jesus Christus hatte niemand mehr eine so frohe Botschaft dabei wie die Band Querbeat. Das behaupten sie zumindest heute Abend selbst. Die weihnachtlichen Aspekte hier drin werden deutlicher, die kleinen weißen Konfettischnipsel erinnern an riesendeln Schnee. Musikalisch kann aktuell von Besinnlichkeit jedoch keine Rede sein. Immer wieder bauen Querbeat bekannte Melodien in ihre Songs ein, drücken diesen ihren eigenen Stempel auf und laden zum Tanz. Jojo kündigte die "Randale" zwar im Vorhinein an, aber heute steht passend wie nie der Slogan "Well, that escalated quickly!" im Raum. Ehe ich mich versehe dreht Carlos, eigentlich am Mellophon aktiv, auf der Bühne eine manuelle Feuersirene an, zum Konfetti gesellen sich Rauchfontänen, Flammen und Pyrotechnik sowohl auf der Bühne als auch unter der Decke. "Kein Kölsch für Nazis" entwickelt sich zum "Rave gegen Rechts" und von der ersten bis in die letzte Reihe drehen die Leute hier drin durchweg durch. Ich habe einiges erwartet im Vorhinein, ein solch intensives und spektakuläres Erlebnis ehrlich gesagt nicht.
Für "Kreise", im September auf der EP "BARCELONA TAPES" erschienen, begibt sich Jojo zusammen mit zwei Bläsern auf eine kleine Bühne mitten im Publikum. Die ruhigeren Klänge laden zum Durchatmen ein, die Blicke ruhen wie gebannt auf der Situation. Im Anschluss reicht ein einziges Blasinstrument, um den Übergang zurück in den Wahnsinn zu gestalten. Zwei Zuschauerinnen leisten sich ein Rennen auf aufblasbaren Flamingos über die Menge, Köln dreht standesgemäß zu "Nie mehr Fastelovend" und zum Schluss zu "Randale & Hurra" komplett am Rad und zwischen all dem gibt es ihn dann doch noch, den weihnachtlichen Moment des Abends. Querbeat legen eine stilgerechte Version von "All I Want For Chrismas" hin, während es im Palladium rosa Konfetti regnet. Wo der Abend nach "Randale & Hurra" hätte beendet werden können, begibt sich die Band noch einmal mitten in die Menge, um ein Ende zu finden, wie es damals einmal angefangen hat: Nah an den Leuten. Jojo bringt das Thema Straßenmusik als Beispiel mit ein.
Unter dem Strich steht ein Konzert zum Jahresabschluss, wie es vielseitiger nicht hätte sein können. Die Ekstase vor der Bühne heizen Querbeat mit Special-Effects zusätzlich an, die Haltung der Band und die ruhigen Momente finden ihren Platz genauso wie die Würdigung des wohl emotionalsten Teils des heutigen Abends: Janine Dornbusch spielte heute ihre letzte Show mit der Band. Dafür gibt es ausgiebigen Applaus und das eine oder andere Tränchen von Band und Publikum.