Zugegeben: Als Die-Hard-Rogers-Fan wird diesem Bericht ein Mangel an Objektivität zu Grunde liegen. Als Fanzine-Herausgeber kann man sich das aber zum Glück leisten.
Wenn die Rogers als Düsseldorfer Punkrock-Band zum zweiten Mal zum „Heimspiel“ einladen, ist relativ schnell klar, dass der Abend im tollen zakk recht fix ausverkauft sein würde. Deshalb gab es bereits am Vortag eine Zusatz-Show, die ebenfalls gut besucht gewesen ist. Die Kollegin Miriam, kein wirklicher Rogers-Fan, wird sich in ihrem privaten Blog „Zweidrittelkrach“ diesen Tag widmen.
Ein vernünftiges Konzert vor heimischer Kulisse muss natürlich mit tollem Support aufwarten. Zu diesem Zweck ist einmal die Grevenbroicher Band Datenschmutz und Engst aus Berlin eingeladen. Mit Erstgenannter geht es auch direkt 19:30 Uhr los und wenig überraschend bildet sich direkt zu Beginn schon ein ansehnlicher Mosh-Pit. Die Band ist hier natürlich als lokale Band im Vorteil und viele Menschen kennen die Tracks der letzten EPs in- und auswendig. Wirklich spannend für mich ist die Entwicklung, die diese Band in den letzten Jahren vollzogen hat. Datenschmutz sind mittlerweile mit ihren Songs deutlich weiter und haben auf der Bühne auch eine sympathische und mitreißende Präsenz. Der kurzweilige, halbstündige Zeitslot vergeht irgendwie dann auch wie im Flug und bot mit neuem Song nicht nur den „normalen“ Besuchern einen guten Start in den Abend, sondern auch den Großeltern von Sänger Henri, die ihren Enkel an diesem Abend das erste Mal live mit Band erleben durften.
Engst
Nach schneller Umbaupause betreten Engst die Bühne. Das aktuelle Album hatten wir zu Release schon als Album der Woche ausgezeichnet, nicht unumstritten jedoch, da im Vorfeld dieses Konzertes durchaus erst einmal ein eher argwöhnischer Blick auf die Band geworfen wurde. Zuviel Pathos und „Wohoho“ und Weichspülerei wird Engst unter der Hand wohl vorgehalten, vermutlich schwingt da immer noch das Thema „Prosieben Casting Show“ mit, die dem Sänger vor einiger Zeit Bekanntheit verschafft hat.
Von Sekunde 1 an liefert die Band allerdings ordentlich ab und auch bei diesem Auftritt gibt es bereits eine Menge an textsicheren Zuschauern im Publikum und der Tanzbereich in der Mitte vor der Bühne steht auch in den folgenden 40 Minuten nie wirklich still. Zugegeben, ich höre eine Menge „Wohohos“ und die Songs sind jetzt auch kein Assipunk, machen mir aber gut Spaß. Den Sänger kenne ich noch von seinem Vorgängerprojekt Melloy, wo er mir schon als leidenschaftliche Rampensau aufgefallen war. Es ist kurz vor Ende des Sets und nun fordert er noch einmal das Publikum auf, alles zu geben und nachher bei den Rogers so richtig auszurasten, denn er wird dann nachher der Erste sein, der da im Pit abgehen würde. Für gewöhnlich winkt man im Publikum bei solchen Aussagen eher ab und stempelt den Menschen am Mikrofon eher als Maulhelden ab. Wenig später werde ich jedoch eines besseren belehrt.
Rogers
21:15 Uhr – Zeit für die Hauptband. Während vor der Bühne das „Nichts zu Verlieren“ - Albumcover in riesiger Dimension die Bühne vor Blicken abschirmt, wuselt sich das Streetteam der Rogers in Formation durch die Menschenmenge des ausverkauften zakk um direkt vor der Bühne Stellung zu beziehen. Das Intro von „Nie Euer Land“ startet und mit den Drumrolls schießen auf jeden Trommelschlag Konfettikanonen aus den Händen der sich vor wenigen Sekunden noch durchgewuselten Streetteam-Menschen und tauchen die Konzerthalle in ein wahres Konfettimeer. Von der ersten Sekunde an also Vollgas und schon mit dem Drop des Banners eskaliert die Menge als ob die Band schon eine Stunde spielt. Die ersten Körper halten es nicht mehr im Erdgeschoss aus und schweben über die sich wogende Masse mitsingender Besucher in die sanften Arme der aufmerksamen Security-Mitarbeiter.
Die Band spielt sich recht schnell in Rage. Die vermeintliche Generalprobe am Vortrag hat für deutlich mehr Sicherheit bei der Band gesorgt und insgesamt wirken Alle gelöster als noch am Tag davor, wobei die Nervosität sicherlich vor der Show mindestens genauso hoch gewesen ist.
An der Setlist gibt es insgesamt nichts groß zu mäkeln, Besucher beider Shows bekommen hier zweimal vom Rogers Buffet serviert. Wenn die Setlist nun keine riesige Überraschungen beinhaltet, so ist doch die Show mit ihren kleinen Extras einfach etwas, an das man sicherlich noch gern zurückdenkt. Da wäre das „Foppen“ der neueren Fans, in dem die kürzlich releaste Single in einer Ansage angekündigt wird, man jedoch vom ersten Album einen Song spielt und diesen als „Neu“ verkauft, nur um den eigentlichen Song später in der Zugabe zu spielen. Da wäre ein Song, den die Band lange nicht mehr gespielt hat und extra für das Streetteam auf die Liste gepackt hat, damit diese ihre beeindruckende Sammlung wie „Fahnen im Meer“ zum gleichnamigen Song wehen können. Es sind die vielen Kleinigkeiten und „Großigkeiten“ wie eine zum Leben gewordene Ansage in Form einer lebensgroßen Punica-Flasche die so einen Abend abrunden.
Es wird auch für Außenstehende schnell klar, dass hier ganz viele Hände für einen besonderen Abend sorgen. Klar, große rote Bälle mit Rogers Aufklebern sind vielleicht nicht unbedingt Punkrock genauso wenig wie ein wehendes Fahnenmeer oder einem Sack von kostenlosen Weihnachtsmützen mit Rogers Insignie. Vielmehr kommen hier Menschen aus der gesamten Republik und darüber hinaus zusammen, um bei einem Heimspiel ihrer Lieblingsband all ihre Kreativität, Engagement und Begeisterung auf einen bzw. zwei Abenden konzentriert auszuleben. Viele dieser Fans reisen der Band weit nach, egal ob die Band nur den Support für Die Toten Hosen gibt oder in Ulm in einer Stripbar eine Clubshow spielt, und schwenken Fahnen oder zünden Konfetti und entwickeln ein Fantum, was schon beinah an die Leidenschaft von sogenannten Ultras beim Fußball erinnert. Deshalb wirkt es für Außenstehende auch gern so, als ob eine Rogers-Show eigentlich größer wirkt, als die Band selbst wirklich ist. Dem Abend die Krone setzten dann noch zwei Fans auf, die mit einem Heiratsantrag plus Torte nach der Show bei den Umstehenden für glasige Augen sorgten.
Eines ist wirklich Punkrock: Eine Band mit Leidenschaft und Spaß zu unterstützen.