Das Konzert der Terrorgruppe in Halle stand ganz weit oben auf der Liste an Konzerten, auf die ich mich seit langem gefreut habe. Nicht nur, dass eine der bekanntesten Punkbands sich dafür entschieden hat, ihren Tourauftakt als Warmup-Konzert in der Saalestadt zu veranstalten, auch die ursprüngliche Location mit dem Gig versprach ein interessanter Abend zu werden. Das Gig ist in Halle einer der besten Ranzschuppen für Punkrock-Konzerte und die Leute des Gigs und "Salt City Punkrock" passionierte und engagierte Musikliebhaber:innen. Leider musste das Konzert coronabedingt in die Tanzbar Palette verschoben werden, aber das sollte meine Laune nur geringfügig trüben.
War das Konzert von Radio Havanna noch 2G galt hier jetzt 3G. Die Corona-Kontrollen sind genauso sorgfältig wie in Leipzig, was bei den aktuellen Inzidenzen ein wenig für Sicherheit sorgt. Das Konzert ist ausverkauft und diverse Menschen haben feinste Punkerklamotten an und die Kutten von Sippschaften und Turbojugenden aus der Umgebung mischen sich nahtlos mit Menschen in Alltagsklamotten und sogar ein paar Leute in Hemden sind da. Es ist ein Dienstag und wie ich durch diverse Gespräche später erfahren werde kommen einige Leute aus der Umgebung direkt von der Arbeit (bzw von der "Kleeche" wie hier im Volksmund gesagt wird) zum allerletzten Terrorgruppe-Konzert in Halle. Direkt an der Bar bemerke ich die angepassten Preise für Pils und Pfefferminzlikör mit jeweils 2,50€ für ein kleines Flaschenbier und 1€ pro Shot und überlege kurz ob das einfach nur gut von den Veranwortlichen verhandelt worden ist oder eher eine Art Sicherheitsvorkehrung gegen aus Protest von zu hohen Bierpreisen randalierende Fans ist. An der Stelle möchte ich noch die günstigen Ticketpreise i.H.v. 17€ für den Abend hervorheben.
Den bunten Reigen eröffnet die Hallenser Band 51 Grad mit ihrem schnörkelosen Saalepunk der gleich zum Start für einen kleinen Moshpit sorgt. Die Kapelle hat eine ordentliche Fanbase mitgebracht und spielen ihre Hits rauf und runter. Gute Laune im Publikum und auf der Bühne lassen die Zeit wie im Fluge vergehen und die Jungs scheinen ihre Zeit ordentlich zu überziehen. Das mag auch daran liegen dass der Sänger gefühlt jede Person im Publikum grüßt, an der Stelle auch nochmal ein Shoutout an Mieze und Fuchs! Auch wenn die Musik vielleicht nicht im Feuilleton lobend erwähnt werden wird, reicht es für Halle in jedem Fall und der Job als Supportband ist hervorragend gelungen.
Up next ist das Trio Shirley Holmes aus Berlin, die mit ihrem Punk 'n Roll jetzt die Aufgabe haben, die Zeit irgendwie wieder einzuholen. Schneller Umbau, kaum Ansagen und jeder Song wird gefühlt noch mal ein Ticken schneller gespielt als er sein müsste. Dafür funktioniert die Band fantastisch und es macht enorm Spaß hier Teil der Veranstaltung zu sein. Zwischendrin werden auch mal die Instrumente durchgetauscht und mittlerweile wird noch mehr geschubst vor der Bühne. Textsicher sind im Gegenteil zur Band davor im Publikum zwar die wenigsten, aber ich bin mir sicher dass hier einige neue Fans gewonnen worden sind.
Wenig später betreten Terrorgruppe endlich die Bühne. Mittlerweile ist es bollewarm, der Parkettboden ist feucht und nicht wenige Menschen im Publikum haben bereits Gleichlaufschwankungen. Mit einem fetten Grinsen im schicken Mini-Maus-Kleid begrüßt Archi Alert aka MC Motherfucker den durstigen Haufen vor der kleinen Bühne und ab geht das zweistündige Set. Die Band lässt dabei eigentlich keinen Hit vermissen und recht früh werden Songs wie "Opa", "Nazis im Haus" oder "Leider nur ein Traum" gezündet. Ach, was für eine feine Show, die da läuft und gleichzeitig kommt ein wenig Wehmut auf. Das ist also der Anfang vom Ende der Terrorgruppe?
Terrogruppe lässt sich nichts anmerken, hier ist kein großes Gefühl von Abschied dabei. Menschen fliegen über die Köpfe hinweg oder zur Seite aus dem Moshpit raus, Johnny Bottrop haut einen Kalauer nach dem anderen raus und das Publikum beleidigt die Band auf's feinste. Es ist eigentlich alles wie immer.
Das Set ist prima durchgemischt und so sind auch mal Lieder zum gemütlicheren "schwofen" zwischen den Knüppelsongs eingebaut. Enorm ist dabei die Energie, die von der Bühne kommt und den gesamten Abend lang auf einem konstant hohen Level ist. Es wird gelacht, gebrüllt, geprostet und gewitzelt und Menschen liegen sich erschöpft in den Armen.
Zur Zugabe kommen natürlich nochmal die Klassiker, bei "Mein Skateboard ist wichtiger als Deutschland" habe ich nun endgültig Angst um die Statik des Raums, aber alles geht gut aus. Es ist ein versöhnlicher Abend und Terrorgruppe kann man nicht nachsagen, sie hätten hier nicht nochmal alles aus ihrer langen Schaffensperiode rausgeholt. Zum Schluss verabschiedet sich die Band mit einem langen Banner auf dem das Motto der Tour steht: "Tschüssikowski".