Eigentlich sollte man meinen, zwei Monate sind kaum der Rede wert. Mir kommt die Zeit dazwischen jedoch wie eine Ewigkeit vor. Am 21. Dezember 2019 spielte Thees Uhlmann im Kölner Palladium (wir berichteten), ganz Deutschland litt unter der jährlichen „Last Christmas“-Dauerbeschallung, dabei ahnte zu dem Zeitpunkt noch keiner etwas vom neuartigen Coronavirus, der mittlerweile natürlich auch in NRW aufgetaucht ist. Bonn lässt sich jedenfalls nicht davon abhalten, Thees wieder auf der Bühne erleben zu wollen. Das Brückenforum ist erwartungsgemäß voll, von der zeitgleich stattfindenden Deichkind-Show in Köln flattern per WhatsApp andere Einschätzungen rein.
Das Brückenforum in Bonn ist einfach eine komplett andere Location als das Kölner Palladium. Das Palladium ist riesengroß, länger als breit, irgendwie schick und durch die Emporen und den hohen Raum einfach gigantisch. Die heutige Location wirkt dagegen eher wie eine Schulaula. Die Fenster sind mit Vorhängen abgehangen, der Raum gegensätzlich zum Palladium breiter als lang, gegebenenfalls auch nahezu quadratisch. Wenn man den Raum am hinteren Ende betritt ist man schon echt nah dran am Geschehen, alles wirkt kompakter und familiärer.
Grillmaster Flash begleitet Thees Uhlmann und seine Band auch in diesem Jahr auf den Konzerten. Im Gegensatz zum Konzert in Köln wird er heute Abend zwar nicht von Thees Uhlmann höchstpersönlich angekündigt, seine Spieldauer von vier Songs ist jedoch identisch geblieben. Das gute daran: „Grilli“ weiß auch in dieser kurzen Zeit mal wieder zu unterhalten. Er bringt die Leute mit „Ich war nie Rock ’n’ Roll“ oder „Sottrum“ zum Lachen und auch Mitsingen, macht sich in seiner eigenen sympathischen Art und Weise total bodenständig zum Horst und erntet dafür auch heute Abend verdienten Applaus.
Manchmal glaube ich, dass Thees vielleicht selbst so sehr Fan ist, dass er weiß, wie ätzend das Warten sein kann. Während andere Bands und Künstler ihre Konzerte zeitlich so beginnen, dass sie zum Ende hin die volle Zeit ausreizen und es auch ja punkt 23:00 Uhr ist, fängt Thees halt früher an und lässt es sich am Ende egal sein. Ich persönlich bin großer Freund von dieser Herangehensweise, und so ist es auch heute gerade einmal 20:30 Uhr, als die ersten Akkorde von „Fünf Jahre nicht gesungen“ erklingen. Auf der Bühne stehen bereits viel Nebel und alle übrigen Bandmitglieder, als Thees das Bild unter viel Applaus komplettiert. Mir fällt sofort auf, dass heute ohne Hintergründe aufgetreten wird. Vermutlich lassen die Maße der Bühne das nicht zu.
Thees Uhlmann und seine Band präsentieren eine ähnliche Setlist wie in Köln. „& Jay-Z singt uns ein Lied“ ist einiges weiter nach vorne gerückt und das Cover vom „Liebeslied“ der Toten Hosen wird heute durch ein Cover von „Reisefieber“ ersetzt, im Original ebenfalls von den Toten Hosen. Die "Hosen" sind ja bekanntlich sehr gute Freunde von Thees und er widmete Ihnen kürzlich erst ein Buch - sehr empfehlenswert! An der Leidenschaft hat sich indes nichts geändert. Thees tobt wieder wie von der Tarantel gestochen über die Bühne und zeigt vollen Einsatz, auch wie gewohnt in Jeansjacke bei stattlichen Temperaturen. Zwischendurch verschenkt er Shirts nach Wahl an unterschiedliche Leute im Publikum. Einer wird dafür belohnt, der wohl hübscheste Mann zu sein, der je ein Konzert von Thees Uhlmann besucht hat. Zwei weitere Gäste für ihre T-Shirts, auf einem steht „Moin“ und auf dem anderen „BAP“. „Ich bin mit Wolfgang Niedecken befreundet. Da bin ich stolz drauf. Und du bist jetzt auch mit ihm befreundet!“ Wer Thees Uhlmann kennt, kann sich das und sein breites Grinsen gerade wohl sehr gut vorstellen.
Ein Novum im Gegensatz zum Konzert in Köln: Thees vergisst einen Text. Bei „100.000 Songs“ findet er nicht so richtig in die bereits begonnene Strophe zurück und quittiert das schmunzelnde Publikum mit erhobenem Mittelfinger. Die Leute wissen, wie sie das zu nehmen haben. Auch seine Anspielung auf den Derbysieg des FC St. Pauli von vor zwei Wochen können alle einordnen. Aus seiner Leidenschaft für Fußball und den Verein hat er ja noch nie ein Geheimnis gemacht.
Unter dem Strich ist man heute Abend viel näher an Thees Uhlmann und seiner Band dran. Ich habe die Gunst der Stunde genutzt und mir das Konzert aus der ersten Reihe ganz aus der Nähe angeschaut. Bonn lässt sich von nichts und niemandem die Stimmung oder das Konzert als solches vermiesen und feiert die Band verdientermaßen über die gesamte Dauer ab. Es ist mir zwar in Köln nicht bewusst aufgefallen, aber irgendwie scheinen einige Leute aus vergangenen Tagen nur aufgrund der Tomte-Songs zu einem Thees Uhlmann-Konzert zu kommen. In meinem Empfinden ist es zum Ende hin bei den Tomte-Titeln wie "Schreit den Namen meiner Mutter" oder "Schönheit der Chance" noch lauter, als sowieso schon…