Als ich letztes Jahr mit Covid im Bett lag und versucht habe, mit 39 Grad Fieber klarzukommen, sah ich auf einmal einen Tour-Post von einer Band, welche sich in den letzten Jahren in die Riege meiner absoluten Favoriten eingebrannt hat. La Dispute haben schon länger vor, ihr äußerst bekanntes Album „Wildlife“ zum 10. Geburtstag mal so richtig schön auszuführen. Als ich gesehen habe, dass es nun auch in Deutschland zur „Wildlife 10+2 Years Tour“ kommt und dann ganz unten auch noch Dresden mich anfunkelte, bin ich in absoluter Ekstase explodiert. Inzwischen, fast ein halbes Jahr später, stehe ich im Beatpol und warte darauf, dass es endlich losgeht.
Oceanator
Den Anfang macht aber erst mal Oceanator, welche den Abend mit ihrem beruhigten Singer -Songwriter Klängen gediegen beginnt und das Publikum kräftig mit ihrer Melancholie umarmt und schon mal vorsorglich die Emotionen auf den Mainact vorbereitet. Ich finde es immer wieder beeindruckend, wie so sehr andere Musik auf solchen Konzerten wirkt und trotzdem passt. Natürlich ist das nicht unbedingt das, was man als Support für Post-Hardcore erwartet, aber warum soll man auch immer irgendwas ähnlich Klingendes buchen? Anyway, ich war wohl eher in der Minderheit mit dem Genuss von Oceanator, denn ein großer Teil des Publikums ließ es sich nicht nehmen, den Gig mit ihrem sinnbefreiten Smalltalk zu stören und sprach lieber lauter, als 25 Minuten innezuhalten, sehr schade.
Pool Kids
Pool Kids legen dann jedoch ein anderes Tempo vor. Das Quartett aus Florida legt mit ihrem Indie-Punk gut los und spielen sich recht schnell in das nun nicht mehr so viel redende Publikum, die Ersten fangen sogar an, sich etwas mehr zu bewegen, als nur zur Theke und zurück. Derweil tanzt die Band auf der Bühne herum, geht nah ans Publikum und schreit mit ihnen zusammen ins Mikrofon, alles lässt sich gut mit dem Wort „Cozy“ beschreiben, auch weil es langsam voll im Beatpol wird und die Temperatur rasant ansteigt. Nach knappen 35-40 Minuten verlassen auch die Pool Kids die Bühne und machen sie frei für den Mainact.
La Dispute
Nun wurde ja bereits kommuniziert, dass La Dispute „Wildlife“ in Gänze spielen werden und genau das ist es, was diesen Gig so wahnsinnig krass, wenn auch vorhersehbar machte, denn der erste Block des Konzertes war genau das. Angefangen bei „a Depature“ über „The Most Beautiful Bitter Fruit“ und „King Park“ bis hin zu „You and I in Unison“ und meine Güte ist das ein Ritt. Nicht nur sind es die einzelnen Momente, in welchen Frontmensch Jordan Dreyer vor allem das Publikum brüllen lässt, hier mal ganz besonders den letzten Teil von „King Park“ erwähnt, welcher mir weiterhin Gänsehaut bereitet, sondern auch die ruhigen Momente, in denen die eindringliche Stimme die Ruhe rabiat einschneidet. Trotz der Ernsthaftigkeit des Sets schafft es die Band aus Michigan immer wieder, die Stimmung mit kurzen Gags aufzulockern, ihrem Dank Platz zu machen, welchen man vor allem in dem strahlenden Lächeln Jordans sieht oder serviert auch mal eine kurze, aber eindrückliche Rede gegen Dinge wie Rassismus, Xeno-, Homo- und Transphobie. Dazu muss man hier sagen, dass La Dispute auf dieser Tour darauf geachtet haben, vor allem Supports und Fotograf*innen, speziell FLINTA* Personen bzw. Menschen, die von dem heteronormativen Bild abweichen, einen dringend notwendigen Fokus zu geben. Äußerst lobenswert, da vor allem die Konzertfotobranche weiterhin ziemlich fragwürdig männlich geprägt ist und von dem Rest der Musikbranche, fangen wir hier nicht an.
Nun zurück zum Konzert selbst. Die Zugabe bestand dann kurz aus drei Best-Of-Songs. „Andria“, „Woman (in Mirror)“ und „For Mayor in Splitsville“, hier hätte ich mir noch einen Song von „Panorama“ oder einen der unzähligen brettharten EP-Songs gewünscht, aber es wird nicht mein letztes La Dispute Konzert bleiben, denke ich zumindest. Die Masse räumt jetzt noch mal richtig auf, Chöre, tanzen, wabern, schreien, alles in knapp 15 Restminuten des 90-Minütigen Sets. Die Gruppe aus Grand Rapids hinterlässt dankbar und glücklich ein noch dankbareres und glücklicheres Publikum im verschwitzten und adrenalingebadeten Beatpol nahe der Dresdener Vorstadt. Danach auch bei mir Freudentaumel, Umarmungen, viel Liebe und Tränen trocknen. Das war nicht nur groß, das war gigantisch, alles daran.
Danke von ganzem Herzen!
Bilder von Dave Mante / @ihr_gossenpoet