Das Sulinger JOZZ ist ein kleines Jugendzentrum, welches es immer wieder schafft, interessante, überregional unbekannte Bands für Auftritte zu verpflichten. Beeindruckend ist auch die Soundanlage der kleinen Bühne, die vom JOZZ-Team liebevoll über Jahre erweitert und perfektioniert wurde. Die wechselnden Genres wie Metal, Punk, Hardcore in allen Spielarten locken nicht nur einen Grundstamm aus der kleinen Szene in Sulingen an, auch Fans der Bands kommen und erfreuen sich an der besonderen Nähe, die in dem Laden zu den Auftretenden herrscht.
Mit fast 120 Menschen ist das JOZZ heute gut gefüllt. Die Altersspanne liegt, wie hier üblich, zwischen 15 und 60 Jahren: Metalheads, Punks, „Normalos“ – alles vertreten. Das zeichnet dieses Konzertlocation so aus: Jeder ist willkommen.
Den Anfang machen Mizanthrop. Die 2011 gegründete Band nennt ihren Stil selbst „Brachial Metal“. Schlagzeug und Gitarren treiben die Songs voran. Mal wie eine langsam alles überrollende Walze, mal mit dem für Blast Beat typischem Geknüppel des Schlagzeugers. Die kleine Location sorgt dafür, dass der Sound sich tief in den Körper gräbt. Kein Wunder, an keiner Stelle steht mensch weiter als 10 Meter von den Boxen entfernt. Die auf deutsch gesungenen Songs werden vom Sänger Hauke dem sich zögerlich in Richtung Bühne bewegenden Publikum brutal entgegengeschleudert und hinterlassen das Gefühl, dass der Name Mizanthrop nicht ohne Grund gewählt wurde. Deutlich wird dies durch die Ankündigung eines noch nicht veröffentlichten Songs: „Der nächste Song handelt von Affen und heißt ‚Zweibeiner‘.“ Das Set setzt sich aus älteren („Besitz“, „Endlich Unendlich“) und neuen, bislang nur auf YouTube veröffentlichten Songs („Mit ohne alles“) zusammen. Die Fünf geben alles, agieren mit dem Publikum, ein Großteil bleibt leider weiterhin zögerlich, aber am Ende des Sets wird die Band mit ehrlichem Applaus belohnt.
Camp Jason sind bereits seit 19 Jahren aktiv und kennen durch vergangene Auftritte die Bühne im JOZZ ganz genau. Ihr zwischen Hardcore, Crossover und Trash Metal anzusiedelnder Stil reißt sofort das Publikum mit sich, kein Wunder. Sie suchen sofort die Nähe zum Publikum, lassen sich von zerrissenen Gitarrengurten nicht aus der Ruhe bringen und zeigen auf der Bühne deutlich, dass sie da oben stehen, um mit den Menschen zu feiern. Gerade die neueren Songs der Alben „Debris“ und „Epiphany“ aus den beiden vergangenen Jahren zeigen zu den älteren Stücken eine deutliche Entwicklung im Gesang: Growling wechselt sich mit Shouts ab. Die tiefen Gitarren und der stakkatohafte Blast Beat sorgen auch hier für ein wohliges Gefühl, besonders, da die Band die verschiedenen Stilmittel wie Midtempo- und Uptempo-Passagen variantenreich einsetzt.
Camp Jason profitieren davon, dass das Publikum aufgetaut ist. Der Raum vor der Bühne füllt sich, es wird geheadbangt, gemosht. Die Songs sind stilistisch divers und verschachtelt, vielleicht ist auch dies der Grund, warum sich mehr Menschen von der Musik angesprochen fühlen.
Überraschend am Set von Camp Jason sind die Songs „Keule“, „Jäger“ oder auch „Rote Keule“. Nicht nur, dass die Texte in die deutsche Sprache wechseln, nach Rückfrage bei der Band stellen diese Songs die Grundlage für eine neue EP dar, die dieses Jahr noch erscheinen soll.
Nach fast zwei Stunden Abriss beschließt die Band Neophobic den Abend. Sie sorgt mit ihrem Stil aus Death Metal der schwedischen Schule in Verbindung mit den typischen Trash Metal noch einmal für Krach. Sie spielen ihr Debütalbum „Above“, welches Ende 2022 in Eigenproduktion erschien. Einige ihrer Songs bewegen sich im überwiegend im Midtempo-Bereich unterstützt von rauen Vocals des Sängers David, andere zeichnen sich durch wechselnde Tempi und melodiöse Parts aus. Die Einflüsse der Band wie In Flames oder Dark Tranquility werden in ihren Songs deutlich. Somit spielt hier keine Band, die das Genre neu erfindet, aber solide umsetzt. Die Songs sind insgesamt weniger druckvoll als die der beiden anderen Gruppen. Man merkt Neophobic aber an, dass sie sich freuen, auf dieser Bühne zu stehen. Das Publikum ist leider schon etwas ausgedünnt. Nur ein Dutzend Menschen versammelt sich vor der Bühne. Aber so bleibt Platz für den Bassisten Josue, der sich unter die Leute mischt, um mit ihnen zu feiern.
Insgesamt ein gelungener Abend. Gerade die Fans von Thrash und Death Metal kamen auf ihre Kosten. Und es wird deutlich, wie wichtig es ist, die Subkultur in kleinstädtischen und ländlichen Regionen aufrecht zu erhalten und zu fördern. Gerade hier haben kleinere Bands die Möglichkeit aufzutreten. Durch die Menschen, die hinter dem JOZZ stecken, die ihre private Zeit in die Organisation, die Technik und das Booking stecken, bekommen diejenigen einen Raum, die fernab von Mainstream ihrer Leidenschaft vom Musikhören und -machen nachgehen können.