Dass das Wetter dem überaus kalten Mai im Norden Deutschlands dem Pegasus Open Air an diesem Tag wohlgesinnt ist, ist eine dankbare Geste für all diejenigen, die sich seit einem Jahr auf dieses Ereignis vorbereiten. So wirkt das malerisch grüne Gelände inmitten einer Waldlichtung noch viel einladender. Das Strahlen der Sonne spiegelt sich auch auf den Gesichtern der auffällig vielen Kinder wider, die begeistert dem Seifenblasen streuenden Stelzenläufer hinterherlaufen und am frühen Abend fasziniert die glühend heißen Flammen der mitten auf dem Gelände stattfinden Feuershow begutachten. Seinem allumfassenden Programm ist es wohl geschuldet, dass das Pegasus Open Air seine Gäste nicht nur in den Möllner Jugendszenen findet, sondern ebenso Rentner anlockt, die dem Spektakel von den diversen Picknicktischen aus tiefenentspannt folgen.
Der Fokus liegt aber auch bei diesem Festival klar auf der Musik, die in diesem Jahr erstmals abwechselnd von zwei gegenüberliegenden Bühnen schallt. Wer den Blick von der Mainstage nach hinten richtet, stolpert sofort über das knallig pinke Sofa, das den Mittelpunkt unserer Album-der-Woche-Fanstage bildet. Gleich drei Bands spielen auf unserem Open-Air-Wohnzimmer Akustik-Sessions und führen schöne Gespräche mit uns. Die Bad Schwartauer Punks Jack Pott erzählen so zum Beispiel trocken, warum sie seit Anfang des Jahres nicht mehr „Breathing Punx“ heißen: „Die Antwort darauf ist ja ganz einfach: ‚Breathing Punx‘ ist einfach ein schlimmer Name. Jack Pott klingt zwar auch bescheuert, aber wir haben uns für das kleinere Übel entschieden.“ Das Quintett passt zwar kaum auf das beengte Sofa, lässt es sich aber trotzdem nicht nehmen, noch extra einen Synthesizer anzuschleppen, der überraschend gut mit Akustikgitarre und Cajon zusammenarbeitet. Die Band bildet damit den Auftakt für eine kleine Reihe klanglicher Neuinterpretationen, die Esco ebenso wie Flower Rush mit viel Charme fortsetzen. Erstere haben als Duo einen ungemeinen Platzvorteil, zweitere müssen aufgrund eines plötzlichen Schauers kurzerhand ein paar Meter weiter nach hinten ins Album-der-Woche-Interviewzelt umziehen. Das Programm unserer Bühne machen Viva Con Agua mit einem Spontan-Interview über ihre Arbeit und Loop-Artist One Player Mode mit äußerst klug arrangierten Videospiel-Soundtrack-Covern komplett.
Die ganz großen Ereignisse des Tages spielen sich aber logischerweise auf der Hauptbühne ab, auf der alle drei Gäste unsere Akustik-Sessions noch einmal spielen dürfen und obendrein durch ein weiteres vielfältiges Programm ergänzt werden. Nachdem Samba Zamba den Tag ganz perkussiv eröffnen, covern DD3 zusammen mit Jack-Pott-Frontmann Alex Levering Feine Sahne Fischfilets „Komplett im Arsch“ und lassen dabei einen Plüsch-Hai durchs Publikum fliegen, der nach eigener Aussage so alt wie die Band selbst ist. Nach der Absage von Maciek sind kurzerhand außerdem Zwo Eins Risiko eingesprungen, die ihren röhrenden Alternative-Rock mit äußerster Wucht über die Bühne bringen und einen Mini-Moshpit vor der Bühne entfachen, an dem Teile der Album-der-Woche-Redaktion nicht ganz unschuldig sind. Esco demonstrieren bei ihrem Auftritt, dass sie den wahrscheinlich eigenständigsten Sound des Line-ups verfolgen, ihre Mischung aus Rap und Indie erweist sich als äußerst detailreich und ausgefuchst. Der Pop-punkige Stil von Flower Rush wiederum wirkt in voller Montur logischerweise noch drückender als in der Akustik-Variante. Die Versiertheit der Band ist besonders beeindruckend, wenn man bedenkt, dass das Quintett von ihrer Album-Release-Show am Vortag noch Restalkohol im Blut haben dürfte. #Arrested vermögen die Energie ihrer zwei Frontfrauen auch live äußerst gut zu vermitteln und liefern dadurch einen ebenso treibenden Auftritt wie Pöbel MC, der als Headliner des Abends mit seinem geradlinigen Hip-Hop für ein deutliches Kontrastprogramm sorgt und so einen markanten Abschluss liefert.
Den prägnantesten Moment des Tages liefern aber Jack Pott, die mit ihrer mitreißenden Mischung aus schillerndem Neue-Deutsche-Welle-Pop und Deutschpunk unheimlich viele Leute zum wilden Tanzen bringen. Bei ihrer aktuellen Single „Alle meine Freunde“ zieht die Band dann alle Register: DD3 revanchieren sich für das Feature zur Mittagszeit und kommen mit einer Armada aus glühend rotem Pyro auf die Bühne, das zu purer Eskalation führt und allein von der Bildgewaltigkeit ein Moment nachhaltiger Erinnerungswürdigkeit ist. Zum Schluss tritt dann auch noch About-Blank-Sänger Can Carstens auf die Bühne, dem man mit Blick auf sein knallbuntes Hippie-Hemd sofort abkauft, dass er gerade erst aus dem Urlaub zurückgekehrt ist. Gemeinsam bricht das Kollektiv dann doch kurz mit allen Konventionen der Familienfreundlichkeit und covert den Kassierer-Festivalklassiker „Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist“. Die Euphorie kennt keine Grenzen und wird noch durch den Fakt faszinierender, dass das alles auf dem Bolzplatz einer Jugendherberge in Mölln passiert. Das zunehmende Sterben kleiner Festivals sollte man zurecht betrauern – Augenblicke wie dieser auf dem Pegasus Open Air erinnern besonders prägnant daran, warum das so ist.