In der Musikwelt gibt es mittlerweile ja immer weniger Phänomene und Blitzstarter. Durch mannigfaltige Promo und dadurch entstehenden Hype wird es aber auch nichtig und wenn man will und genug Geld in die Hand nimmt, kann man schnell eine große Fanbase aufbauen, ohne musikalisch wirklich etwas auszumachen. Nicht aber Team Scheiße. 2020 gegründet, wurden sie schnell ein Geheimtipp in Sachen Punk. Durch das eigene Label SoulForce Records, den Deal mit KitschKrieg und ihrem ersten Album „Ich habe dir Blumen von der Tanke mitgebracht (jetzt wird geküsst)“ waren sie dann 2021 allerdings sofort in aller Munde, und als es dann noch Konzerte der Band gab, explodierte ihr Hype noch einmal mannigfaltig. Und somit stehen wir heute zusammen in der ausverkauften GrooveStation, um dem Team-Scheiße-Konzert beizuwohnen. Es ist jetzt schon warm, die Biergläser am Tresen neigen sich dem Ende zu und die Crowd ist bunt gemischt. Hier trifft sich alles vom Altpunk, der gerade aus der nächsten Eckkneipe gefallen sein könnte bis hin zum Hipster, der eventuell seine Hornbrille irgendwo sicher verstauen sollte.
Den Anfang machen aber erst mal Planlos aus Ost-Berlin. Das ist wichtig anzumerken, da es Planlos zweimal gibt. Einmal Planlos West (das sind die, die man auf Spotify findet) und einmal Planlos Ost, welche eventuell aus der „Auswärtsspiel Doku“ der Toten Hosen bekannt sind und auch generell einen zentralen Pfeiler des Punks in der DDR darstellen. Planlos spielen ein hervorragendes Set, keine Frage. Nicht eine Sekunde merkt man ihnen die zahlreichen Jahre an, welche sie nun schon auf dem Buckel haben. Ihre Songs handeln noch immer von Widerstand, Staatsmacht und wahnsinnig vielen Ost-Punk-Staples, die heute zwar teilweise nicht mehr so aktuell sind, aber trotzdem nicht unnötig oder deplatziert klingen. Das Problem ist nur das Publikum, dieses reißt das Ganze so gar nicht mit. Im Set sind schon ein paar Momente, in welchen man sich gegenseitig rhythmisch schubsen könnte, das passiert jedoch nicht. Schade, aber die, die sie kannten und etwas mit ihnen anfangen können, genießen die Minuten sehr!
Nach sehr kurzer Pause stehen dann auch schon Team Scheiße auf der Bühne, welche ebenso bunt zusammengewürfelt sind wie das Publikum. Sänger Timo ist ja den meisten bekannt, der Rest der Band ist aber auch markant unmarkant, was die Gruppe noch einzigartiger macht. Kein Intro, sofort Krach. Team Scheiße verwandeln die GrooveStation in eine acidgetränke Version eines überfüllten Technoclubs. Durch meine Arbeit in dem Laden habe ich schon so einige volle Konzerte gesehen, jedoch hat kaum irgendwas es geschafft, das Publikum in solch eine Synergie des Schwitzens, Pogens und Grölens zu bringen wie Team Scheiße. Man merkt, dass die Fanbase (noch) nicht riesig ist, aber die Leute, die auf die Konzerte gehen, die Gruppe und deren Musik verinnerlicht haben.
Direkt positiv fallen Team Scheiße dann dadurch auf, dass sie nach dem ersten Song keine große 08/15-Willkommensrede schwingen, sondern direkt ein paar Regeln für den Abend aufstellen. Neben dem Aufruf zur Hilfe, wenn jemand hinfällt oder Ähnliches geht es auch tief in das Thema Awareness und prompt wird gesagt, dass niemand sein T-Shirt ausziehen soll, egal wie warm es wird. Ich frage mich, warum solche Aufrufe immer noch so selten passieren. So etwas macht das ganze Auftreten von Künstler*innen sofort um einiges sympathischer. Die ein oder andere Band sollte sich davon mehrere Scheiben abschneiden, eine bestimmte Gruppe aus Hamburg zum Beispiel. Der FLINTA*-Only-Pit beim vorletzten Song „Erfurt“ tut dann sein Übriges in Sachen Sympathie.
Zwischendrin bricht dann das pure Chaos aus. Menschen stagediven, alles springt, grölt, singt, mosht, pogt und niemand (bis auf eine blutige Nase in der ersten Reihe) tut sich mehr weh, als es in einem Mosh/Pogo-Pit generell passieren sollte. Auf der Bühne die großartigen Team Scheiße, die eigentlich jeden Song spielen, hinter dem sie stehen. Egal ob „EDK“, „20:15“, „Rein ins Loch“ oder natürlich „Karstadtdetektiv“ Nichts wird vermisst, was bei der durchschnittlichen Länge eines Team-Scheiße-Songs, welche so 90 Sekunden betragen dürfte, aber auch kein Wunder ist. Am Ende werden dann mit „Erfurt“ und „Steakhouse“ noch zwei Rausschmeißer gespielt, ach nein Moment, die Crowd will noch ne Zugabe und was macht man, wenn man keine Songs mehr hat? Man spielt zwei der Publikumslieblinge noch einmal, aber mit mehr Ekstase von allen Seiten. So gibt es erneut eine Portion „EDK“ und noch einmal den „Karstadtdetektiv“, der dringend Freunde sucht.
Am Ende kaufen die Menschen dann den Merchtisch leer und hinterlassen die GrooveStation überraschend sauber. Irgendwie hat diese wunderbare Masse es geschafft, dass nur eine Flasche zerschellt ist und sonst nur eine Mischung aus Schweiß, Hautschuppen und generell anfallender Dreck aufgewischt werden muss. Was soll man also sagen? Das war insane ey! Die einheitlich wabernde Masse, das durchgehend nette und zuvorkommende Publikum, die legendäre und furchtbar liebe Vorband und die fantastisch sympathischen Team Scheiße. Dieses Konzert geht in die Geschichte ein, nicht nur der GrooveStation, sondern der sächsischen Kultur allgemein.
Team Scheiße werden so kleine Venues in Zukunft leider nicht mehr so hochfrequentiert spielen können, sondern kontinuierlich springen. Das Wachstum dieser Band sucht momentan seinesgleichen und irgendwann müsste man dann vier bis fünf Nächte in einer Location spielen, um genug Leute zufriedenzustellen. Jedoch hat dieses Konzert gezeigt, wie wichtig solche Bands in und für solche Clubs sind. Denn in Zeiten von Konzertabsagen wegen zu wenig verkaufter Tickets und der generellen Unsicherheit über die Zukunft der jungen Kulturszene ist so ein Konzert ein Lichtblick und Hoffnungsschimmer, an welchem man sich etwas festhalten kann. Alles in allem ein Abend, welchen man so gern mal wieder machen kann!