Die Post-Hardcore-Ikonen Touché Amoré aus Los Angeles waren eine meiner Corona-Bands und rotieren seitdem regelmäßig in meinen Playlisten und auf dem Plattenteller. Ihr 2020 releastes „Lament“ schaffte es damals sogar Album des Jahres für mich zu werden. Allerdings fehlte trotz der Liebe immer eines: die Band mal live zu erleben. Ihre Tour zum neuen Album „Spiral in a Straight Line“ sollte daher nun auch diese musikalische Initiation schaffen. Nun spielte die Band nach ihrem Gig in Dresden am nächsten Tag in Berlin und daher hab ich meine Sachen geschnappt und zwei Tage nahezu nur dieser einen Band gewidmet.
Es ist Donnerstag, der 6. Februar 25, und ich komme aus der letzten schriftlichen Klausur des Semesters. Es ist regnerisch und unfassbar kalt, aber ganz ehrlich, das ist mir ziemlich egal, denn später stehe ich im Beatpol und lasse mich von Touché Amoré anbrüllen. Beide Tage sollen nahezu genau so sein. Früh aufstehen, in den kalten, regnerischen Tag starten und abends dann hochemotional und schwitzend in die kalte Nacht ziehen und die Nacht Nacht sein lassen. Im Beatpol komme ich an, bekomme die freudige Nachricht der Fotoerlaubnis (Danke Carsten fürs fixe Klären) und genehmige mir ein Bier zur Feier des Tages. In Berlin bleibt es dann bei der Limo, die Anreise war lang und letzte Nacht etwas kürzer.

SMILE
Smile heißt die erste Band des Abends, nein nicht die Queen-Vorgänger, sondern das Post-Punk-Quartett. Smile führen dabei den Trend fort, dass sich emotionale Post-Hardcore-Bands gern mal stark andere Bands als Support suchen, was den Sound angeht. Der erste Song beginnt damit, dass Sängerin Rubee True Fegan dramatisch, wie bei einem Theater, ins Mikro redet, während sich im Hintergrund die Instrumente langsam aufbauen. Das alles dauert knapp zwei Minuten, bis der Sound dann richtig losbricht. Dabei ist sowohl in Berlin, als auch in Dresden nicht viel Regung im Publikum zu sehen, während die Band umso mehr Bewegung in die Räume bringt. Dabei hat man in Dresden gut Platz zum Stehen, in Berlin platzt das Columbia Theater jetzt schon aus allen Nähten. Smile brauchen nur kurz, um mich von sich zu überzeugen. Post-Punk hört man hier fantastisch raus, was an verzogenen Gitarren, pompösen Gesang und immer mal einem heißeren Schrei liegt, der von der Bühne schallt. Mag ich sehr.

Trauma Ray
Trauma Ray geben mit dieser Tour ihr Europadebüt. Die Band aus Texas zieht dabei einige Leute mehr an und erfreut sich augenscheinlich schon einer größeren Fanbase. Die Shoegaze Band legt vor allem sphärisch los und das Publikum taut an beiden Tagen ordentlich auf. Dabei bilden sich natürlich keine Moshpits, wie auch bei solch einer Musik nicht anders zu erwarten, sondern es wird vor allem hart mit dem Kopf genickt. Und nun ja, jeder Song klingt bombastisch, ist laut und schließt in eine dunkle, nebelige Bubble ein. Ab hier gibt es in Berlin kaum noch Platz zur Bewegung, in Dresden ist es auch voller, der Abend soll allerdings erfreulich luftig bleiben, auch wenn es keineswegs leer ist.

Touché Amoré
Touché Amoré spielen Daniel Johnsons „Devil Town“ vom Band und ballern dem Publikum dann „Nobody‘s“ durch den Saal. So luftig es in Dresden war, wandelte das ruhigere Publikum sich auf den Schlag in ein Hardcorepublikum. Endlich, denke ich mir. Dabei wird auch direkt sichtbar, die Band hat Bock, und zwar so richtig. Frontmensch Jeremy Bolm interagiert dabei gewohnt bei jedem Song und jeder Möglichkeit mit dem Publikum, gibt das Mikrofon in Berlin sogar eben mal für einen halben Song ins Publikum, auch wenn es eher so aussieht, als wäre das eher versehentlich passiert. Dabei gibt es hier auch kaum noch Unterschiede zwischen dem ausverkauften Columbia Theater und dem Beatpol. Überall Energie, Textsicherheit und vor allem wahnsinnig viel Spaß prägen ab hier beide Abende. Auch in der Setlist gibt es wenige Unterschiede. Zwar ändert sich der letzte Song, der Rest ist jedoch voll mit den gleichen Evergreens und Überraschungen. Zwischen „Reminders“, „Honest Sleep“ und „New Halloween“ sowie dem Closer „Flowers and You“ vor der Zugabe, schleichen sich auch Songs wie „Uppers/Downers“ oder „Savoring“ in die Setlist.
Am besten ist jedoch jegliche Interaktion der Band mit sich selbst und dem Publikum. Ich höre es wirklich ungern, dass sich eine Band unfassbar oft bedankt, denn irgendwann wirkt es aufgesetzt und unglaubwürdig. Dieser Band kaufe ich jedoch jeglichen Dank, jedes Lächeln und all die Freude zu 100 % ab. In Dresden gibt es dazu vor der Zugabe ein technisches Problem, da jemand, der auf die Bühne geklettert ist, etwas an einem Pedalboard wohl so dumm getroffen hat, dass es nicht mehr so funktionieren wollte. Jeremy kommentierte dieses knapp fünfminütige Schauspiel mit viel Freude und Lachern. Während in Berlin der Song „Limelight“ als Zugabe gespielt wurde, welcher immer mal wieder an genau dieser Stelle vorkam, wurde in Dresden „Amends“ das erste Mal auf dieser Tour gespielt. Da war die Party und Energie auch nach fast einer Stunde noch einmal sehr hoch.

Abschließend lässt sich zu beiden Konzerten sagen, dass das Berlin Konzert stimmungstechnisch natürlich krasser war. Ausverkaufte Show, überall uferlose Energie und danach pitschnass und kaputt. Wenn ich jedoch darauf gucke, dass einige Leute ohne Rücksicht rumgerannt sind und es dadurch einige unangenehme Momente gab, bevorzuge ich das Konzert in Dresden, auch weil es einem Familientreffen glich, egal wo man hingeguckt hat, man kannte mindestens vier Menschen. Das war schön, also beides. Der Abend im Beatpol jedoch ein Tick schöner.