Das Astra Kulturhaus ist in einer langen dunklen Straße unterhalb der Warschauer Brücke in Berlin. Weiter hinten kommt noch das wundervolle Cassiopeia, in einem angrenzenden Fenster hängt ein großes, offenbar geklautes McDonald's-M, der nächste McDonald's ist ein paar Kilometer entfernt. Eine absurd lange Schlange wartet auf Einlass, keiner weiß, warum alles so lange dauert, doch die Ruhe bleibt. Die Hälfte steht noch auf der dunklen Straße, als Tyna aus Hamburg das vorletzte Konzert der ZSK-Jubiläums-Tour eröffnen. Tyna, das ist Humor, Selbstironie und sehr viel Haltung und mindestens genauso viel Herz. Also wie gemacht für einen Opening Spot bei ZSK und definitiv tauglich für große Bühnen. Kluge Texte und eine Keytar (Keyboard in Gitarrenform) auf der Bühne, feinster Punkrock.
Die Umbaupausen für Zebrahead sind logistisch eine andere Herausforderung, denn es gibt eben nicht nur Drumsets und Instrumente auf der Bühne, auch für eine kleine Bar wurde Platz geschaffen. Zebrahead und ZSK verbindet eine lange Freundschaft, zum absoluten Glück für die Fans der jeweils anderen Band, da beide Garanten für starke Konzerte sind.
Der Auftritt von Zebrahead wird ein wenig vom leider eher schlecht abgemischten Gesang überschattet, denn die Sänger sind kaum zu hören. Was jedoch zu vernehmen ist macht wahnsinnig Freude, schließlich war nach dem Sängerwechsel nicht klar, wie gut das weitergehen würde. Doch der Wechsel ist vollkommen geglückt. Ästhetisch macht dem Gitarristen Dan mit seinem regelrecht monumentalen Schnurrbart niemand etwas vor. Um die Bar auf der Bühne einzuweihen wird jemand aus dem Publikum auf die Bühne geholt und auf einen selbstgemixten Drink eingeladen. Nach einem kurzen, in wackligem Deutsch vorgetragenen Appell zum Schunkeln wird ein kleines gemeinsames Sauflied abgefeiert - "Drink, drink, my German", mittlerweile ein Klassiker auf allen Zebrahead-Konzerten. Voll wird die Bühne zum großen Finale bei "All My Friends Are Nobodies", als zum Geburtstag eines Crewmitglieds durch die ganze Crew, Tyna und ZSK die Bühne gestürmt wird. Ein Feuerwerk aus Konfetti und Liebe.
Nun kommen ZSK. Ihr Intro besteht aus ganz vielen, Geschichte schreibenden Sounds - von Gretas "How Dare You"-Rede über Nachrichtenschnipsel zu dem rassistischen Anschlag von Hanau, Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und zur Flut im Ahrtal von 2022 ist alles dabei und die Stimmung direkt düster - das Publikum reagiert schnell mit "What do we want? Climate Justice!"-Rufen und die perfekte Grundlage für den Opener "Darwin" ist geschaffen.
Joshi weiß mit Fotograf:innen umzugehen und geht direkt in den ersten drei Songs, in denen im Graben fotografiert werden darf, ohne jegliche Berührungsängste ins Publikum und schafft so spannende Fotomomente. Mal crowdsurfend, mal mit einem Fuß auf der Metallabsperrung, mal Bier aus dem Publikum annehmend.
Im Vorfeld haben sie die Fans über Songs für den Abend abstimmen lassen, was zu einem perfekt ausgeglichenen Set geführt hat. Neues, ganz ganz altes und natürlich ZSK-Klassiker, für die ein jeder Fan zu den Konzerten kommt. Garniert wird das Ganze mit wichtigen politischen Ansagen, die auch ein wenig durch die 25-jährige Vita der Wahlberliner führt. Die typischen "Alerta, Antifascista"-Rufe gingen dem Konzert selbstverständlich voraus, genau wie das ZSK-Publikum immer eine wilde Mischung aus bunten Irokesen und Kindern mit Gehörschutz auf Schultern bietet. Dem Konzert ging am Nachmittag sogar ein ganz besonderes Event voraus, denn ZSK haben für über 100 Kinder in einem Alter von einem Jahr bis acht Jahren live gespielt. Klarer Fall, die Kids sind einfach okay. Nach ganzen FÜNFUNDZWANZIG Songs, ganz viel Liebe und wichtigen Botschaften verabschiedeten sich die Gute-Laune-und-gleichzeitig-Wut-Garanten dann wieder von der Bühne.