Das Schlimmste und Schönste der 70er
27.10.2021 | Album der Woche Redaktion
Im Bereich des 70s Best Of-Materials gibt es eine weite Spanne fantastischer Musik. Außerordentlich viele Genres wurden in dieser Zeit geprägt. Da sich mein musikalisches Spektrum vor allem in der Punk Musik bewegt, war mir direkt klar, dass es ein Punk Song sein wird, der für mich als Best Of in den Text kommt. Neben diesem sei aber noch etwas anderes erwähnt, nämlich dem Liveclub, ohne den Punk sicherlich nie so eine Flügelspannweite bekommen hätte. Ich spreche natürlich vom 1973 eröffneten CBGB, welcher sich in Manhattan befand und auf Wikipedia als „wichtige Keimzelle des US-Punk“ beschrieben wird. Eine der Bands, welche sich dort etabliert haben und einer der gewichtigsten Gründe waren, den Club zu einer Punkpilgerstätte zu machen, waren The Ramones. Und wie soll es anders sein, wähle ich „Blitzkrieg Bop“ als mein Best of 70s Song. Ich kann euch nun alle schon „Basic Bitch!“ schreien hören, aber hört mich in dem Punkt an.
Mit den Ramones hab ich recht wenig am Hut, vielmehr ist es der Rattenschwanz, welchen sie weiterhin hinter sich herziehen. Seht euch doch einfach mal an, wie viele grandiose Punkbands das Urgestein als Inspiration sehen. Allein wegen Bad Religion muss ich vor dieser Gruppierung meinen Hut ziehen. Außerdem schafft „Blitzkrieg Bop“ neben Krachern wie „I Want It That Way“ oder „Bohemian Rhapsody“ immer wieder diese einzigartigen Konzertmomente, bei denen der gesamte Saal einfach aus voller Kehle mitgrölt und innerhalb eines Atemzuges ein Gefühl des Zusammenhaltes schafft. Ja, genug Leute kennen nicht mehr als das bereits in euren Köpfen hallende „Hey Ho, let‘s go“ aber darum geht es in solchen Situationen auch nicht! Außerdem sorgt es auch auf der Bühne des Öfteren für diese einbrennenden Momente, zum Beispiel beim Rocco del Schlacko 2018, bei dem sich Kraftklub den Song und einige ihrer Kolleg*innen nahm (Donots, Feine Sahne Fischfilet, SXTN) und den Song performten. Diese Dinge sind es, warum ich sowohl das CBGB, als auch die Ramones und „Blitzkrieg Bop“ als einen der großen und wichtigen Pfeiler der 70s sehe. Und ganz ehrlich, lieber höre ich irgendwelche Leute Blitzkrieg Bop grölen, als andauernd die strunzbesoffenen "SLAYER"-Chöre ertragen zu müssen.
Worst Of hingegen ist schon was anderes und um einiges schwerer zu bestimmen. Ich denke, ich mache es mir recht leicht und bleibe einfach bei Grölhymnen beziehungsweise stürze mich genau auf diese. Während Musik für einige Menschen etwas Besonderes ist, das Äquivalent zu einem guten Wein oder Ähnlichem, gibt es noch eine andere Seite für die Musik wie ein Hefe-Weizen von Adelskrone ist nämlich nicht mehr als eine Randerscheinung. Sucht man im Netz nach ikonischen Songs der 70er-Jahre, so kommt man auf eine Seite, welche die besten Partysongs dieses Jahrzehntes auflistet. Und das wirft mich zurück in die Zeit, in der ich auf Dorfhochzeiten und Stadtfesten war, bei Discos an der Ostsee dumm rumgewackelt und mir die Prinzen beim DJ gewünscht habe. Wie oft hat man schon gesehen, wie sich Onkel Achim und Lutz von nebenan Bier saufend ACDC wünschen und dann dazu abrocken. Wie oft haben sich Tante Margarete und ihre Schwester Ulla mit Sekt zulaufen lassen, um dann schlecht „Dancing Queen“ zu performen? Richtig zu oft. Was mich nun daran stört, ist nicht, dass diese Menschen daran Spaß haben, sondern mit welcher Mentalität sie die Musik behandeln. Selbstverständlich gibt es unter diesen Hits auch Partysongs. Es ist allerdings befremdlich, wenn Leute zur dramatischen Geschichte von The Polices „Roxanne“ die zeit ihres Lebens haben. Weißt man dann mal daraufhin, wird man schief angeguckt und wenn man eh ein Discomuffel ist, wie ich, ist man eh ein Dorn im Auge der gediegenen 08/15 Musikliebhaber. Das ist nun kein Generationenproblem. Erst 2019 wurde ich von einer Influencerin geblockt, weil ich sie subtil darauf hingewiesen habe, dass es eventuell makaber ist, zu „Pumped Up Kicks“ von Foster the People Werbung für soeben gekaufte Schuhe zu machen. Es geht im Song übrigens um die angeschlagene Psyche einer Person und den Gedanken an einen Amoklauf, welcher mit Missgunst und Neid (auch über die Schuhe von anderen) anfängt. Nicht unbedingt ein passender Song für Schuhwerbung!
Und genau diese Mentalität spreizt ihre langen Fänge über die Musik der 70er und das nervt mich einfach. Musik ist und war in dieser Zeit keine Randerscheinung und sollte daher auch nicht so behandelt werden! Mir ist übrigens bewusst, dass das eine sehr eigene Ansicht ist, aber für eigene Gedanken ist ja genau hier Platz. (Außerdem wusste ich nicht, was ich sonst als Worst Of nehmen soll, daher musste ich in irgendeine andere Richtung gehen, als nur einen Song oder Artist zu nutzen.)
Zu den besten Überbleibseln der Siebziger gehören für mich neben einigen Kreationen von ABBA (ich verweise auf meinen, vor einigen Tagen erschienenen Artikel über diese Band) auf jeden Fall die Ramones und natürlich mit ihrem Dauerbrenner „Blitzkrieg Bop“. Der im Original gerade mal knapp zwei Minuten dauernde „Meilenstein“ des Punkrocks wurde jetzt aber auch zu Genüge von anderen Bands interpretiert und immer wieder aufgewärmt. Meiner Meinung nach allerdings auf jeden Fall zu Recht, wie Dave oben schon erklärt hat. Auch "American Pie" von Don McLean, bezogen auf die Länge des Stücks das komplette Gegenteil von "Blitzkrieg Bop", gehört in die Liste der besten Songs der Siebziger. Endlich mal ein Lagerfeuer-Klimper-Song, der noch Qualität hat. Pink Floyd habe ich jetzt mit Absicht nicht erwähnt, um die Fehde zwischen den Pur- und Pink Floyd Fronten in der Redaktion nicht noch weiter anzuheizen (aber „Another Brick In The Wall“ ist schon Kulturgut).
Besonders schwer erträglich in allen 70s Playlists ist für mich „Lady Marmalade“ von Labelle, besser bekannt als Interpretation von Christina Aguilera für Moulin Rouge – die Abneigung entstammt dem lyrisch besonders wertvollen Text. Ganz vorne mit dabei ist außerdem, um bei der Lagerfeuerthematik von „American Pie“ zu bleiben, „Take Me Home, Country Roads“ von John Denver, irgendwann reichts halt auch einfach mit „West Virginiaaaa“.
Zu meinen absoluten Favoriten aus den 70er Jahren zählt auf jeden Fall "Sweet Transvestite" von Tim Curry aus dem Musical "Rocky Horror Picture Show". Das Musical ist an sich sehr queer und bewegt sich abseits des Gender Binary, doch dieser Song in Kombination mit der Performance von Tim Curry als Frank N. Furter ist für mich der Inbegriff von Queerness. Insgesamt strahlt das Stück eine gewisse Energie aus, die es einem sehr schwer macht sich in diesem Moment nicht komplett der Musik hinzugeben und sich auf die Worte von Tim Curry einzulassen.
Es ist mir sehr schwer gefallen einen Song aus den 70ern als schlecht zu deklarieren. Doch nach stundenlanger Suche bin ich dann auf ein Stück gestoßen, welches ich bis zu diesem Zeitpunkt erfolgreich verdrängen konnte. „Lady in Black“ von Uriah Heep ist an sich kein abgrundtief schrecklicher Song. Aber genau so wie beispielsweise bei „Wonderwall“ wird es immer mehr zur Qual, je öfter man sich den Song reinzieht. Dieser Song war der erste, den ich mir auf Gitarre versucht habe beizubringen und habe ihn somit wahrscheinlich um die 100 Mal gehört, was noch weit untertrieben scheint.