Editorial: Musik und Medium
01.10.2020 | Jakob Uhlig
Fun Fact: Der berühmte Musikphilosoph Theodor W. Adorno hat sich einmal ziemlich missbilligend über das Radio geäußert und meinte, dass durch diese Technik zwar endlich jeder in den Genuss einer Beethoven-Symphonie kommen könne, das Erlebnis aber allenfalls ein mittelmäßiger Abklatsch des Originals sei. Scheinbar war für ihn das Medium der Musik so entscheidend, dass es für ihn in der Lage war, ein Stück grundlegend zu verändern. Zwar ist Adorno mittlerweile seit über einem halben Jahrhundert tot, aber die Debatte um Musikmedien tobt immer noch. Vinyl erlebt wieder einen Mini-Hype, CDs scheinen unaufhaltsam dem Tod entgegenzustürzen, Streaming ist das Medium des Zeitgeists, aber sogar Kassetten scheinen aus irgendwelchen absurden Gründen plötzlich wieder ein Sparten-Revival zu erleben. So ganz pragmatisch scheint das alles nicht zu sein – aber das ist ja das wunderbare an Kunst.
In diesem Themenmonat wandern wir mit Kai zunächst durch die Historie von Tonträgern, die noch viel vielfältigere Erfindungen hervorgebracht hat, als wir heute ahnen. Wusstet ihr zum Beispiel, dass Musik früher auf völlig unpraktischen Wachswalzen gespeichert werden konnte, die schon nach wenigen Abspielvorgängen praktisch unbrauchbar waren? Wir blicken außerdem intensiver auf bestimmte Medien unserer Wahl. Joe, unser hauseigener Vaporwave-Experte, versucht so zum Beispiel zu erklären, was er an Tapes eigentlich noch heute interessant findet. Jannika und ich haben wiederum endlich mal unser durchaus vorhandenes Konfliktpotential im musikalischen Bereich genutzt und fetzen uns in einem Streitartikel munter darüber, ob Streaming eine gute Sache ist. Nur bei einem sind wir uns einig: Raubkopien sind uncool, aber dennoch ein beachtenswertes Phänomen, dem sich Steffen gewidmet hat.
Schließlich schauen wir auch noch auf den Prozess der Herstellung. Im Jahr 2020 bedeutet das natürlich auch, sich über Nachhaltigkeit Gedanken zu machen und so hat Jannika mit In Hearts Wake gesprochen, deren neuestes Album „Kaliyuga“ klimaneutral, plastikfrei und aus recyceltem Material hergestellt wurde. Ziemlich beeindruckend, ebenso wie die Einblicke, die wir in diesem Monat in die Arbeit eines Presswerks bekommen haben. Wir wünschen euch wie immer viel Spaß beim Lesen und einen tollen Oktober!
Jakob Uhlig
Jakob kommt aus dem hohen Norden und studiert zur Zeit historische Musikwissenschaft. Bei Album der Woche ist er, neben seiner Tätigkeit als Schreiberling, auch für die Qualitätskontrolle zuständig. Musikalisch liebt er alles von Wiener Klassik bis Deathcore, seine musikalische Heimat wird aber immer die Rockmusik in all ihren Facetten bleiben.