Wie Musik in Kinderserien uns prägt - und was für Probleme das bringt
20.12.2019 | Meret Stursberg
Ein Kind, welches im 21. Jahrhundert in einer modernisierten Gesellschaft aufwächst, wird in der Regel von ihnen begleitet: Kinderserien. Zu diesen gibt es eine Menge an Musik: Intros, Outros, Lieder zum Mitsingen, Hintergrundmusik und vieles mehr, was einem heute noch ab und an im Kopf herumschwirrt oder einen nostalgisch an damals zurückdenken lässt. Warum diese Art der Musik eine nicht zu unterschätzende Funktion hat, versuche ich im Folgenden zu erläutern.
Eigentlich ist Musik für Kinder in solchen Serien etwas sehr Schönes. Denn neben Liedern aus dem Gesangbuch, die man im Kindergarten oder in der Grundschule mitsingt, sind diese Lieder der erste mehr oder weniger selbstgewählte Kontakt von Kindern mit der Musik. Inhaltlich geht es meist um Freundschaft, Abenteuer, Zusammenhalt, Liebe. Diese Aspekte sind meist um das Thema der jeweiligen Serie gebastelt. Man soll daran glauben, dass man alles schaffen kann, wenn man nur an sich glaubt, Mut hat und kriegt eine Moral vermittelt, die mit der meist zum Ohrwurm neigenden Melodie in den Köpfen bleibt. Musikalisch kann das sehr weit gefächert sein und in vielen Liedern steckt sehr viel Arbeit und Liebe. Ein paar Beispiele hierfür wären das Intro von "Jim Knopf" oder das Outro der Cartoon-Märchenserie "Simsala Grimm".
„Schnapp' die Bösen, hilf den Schwachen“ - ein typisches Beispiel sieht man im Intro von Jim Knopf.
„Wo Liebe und die Freundschaft zählt“ - ebenfalls ein schönes Kinderserien Intro, welches ich heute noch manchmal mit Freunden vor mich hin singe.
Ich könnte noch so viel mehr Beispiele nennen, aber ich denke, jeder hat da auch so seine ganz eigenen Assoziationen zu dem Thema.
Bisher klingt alles also an sich echt super – Musik aus Kinderserien vermittelt Moral, bringt Kindern die Musik näher und ist abwechslungsreich. Doch so einfach kann man das Ganze leider auch nicht sehen. Denn hier kommt wieder das Los unserer konsumorientierten Gesellschaft durch. Man hat erkannt, dass auch Kinder eine Kaufkraft haben, indem sie bei ihren Eltern erquängeln, dass sie ja unbedingt das neue zugehörige Spielzeug zu dieser Serie haben müssten. Das gab es damals schon und ist nach dem, was man heutzutage so mitbekommt, noch viel schlimmer geworden (siehe vor allem Minions, Disney-Prinzessinnen-Accessoires wie Rucksäcke, Bettwäsche, Schminkzeug oder für die Jungs Rennautos, Lego Movie Stars, etc.).
Natürlich ist hier nicht in erster Linie die Musik das, wodurch vermarktet wird, aber dennoch ein nicht zu missachtender Teil, wenn man sich die Werbungen zu den jeweiligen Spielzeugen anschaut, die ähnlich wie die Kinderserien-Intros etwas bestimmtes anzusprechen versuchen. Hierbei jedoch weniger das Musikinteresse der Kinder oder die Lust auf die Serie, sondern das Verlangen nach dem dargestellten Produkt. So haben letztlich auch die schönsten Kinderlieder (ich will das nicht allen Serien unterstellen, aber gerade den heutzutage neu produzierten leider immer mehr) meist irgendwo den Hintergedanken, etwas zu vermarkten, nämlich die Serie und die dazugehörigen Spielzeuge. Das zieht sich natürlich nicht nur durch Kinderserien, sondern auch durch Serien für jugendliche und Erwachsene. Außerdem muss man deshalb auch nicht direkt alles verteufeln, da es ja wie anfangs erwähnt auch viele positive Funktionen von Kindermusik gibt.
Aber ein Punkt, der mir bei meiner Recherche besonders aufgefallen ist, sind die typischen Geschlechterrollen, die durch einige Kinderserien und die zugehörige Musik den Kindern vermittelt werden. Es gibt zwar etliche eher neutrale Serien, die auf kein bestimmtes Geschlecht ausgelegt sind, aber nun mal auch genug, wo man ganz klar schon beim Intro erkennen kann, dass diese für Mädchen oder Jungs ausgelegt sind. Als Beispiel dafür könnte ich einige Serien nennen, konzentrieren wir uns aber auf zwei pro Geschlecht.
Klassische Beispiele für Serien, die wohl fast ausschließlich für Mädchen gedacht ist, sind Pferdeserien, wie „Horseland“ oder „My Little Pony“ (diese ist auch ein gutes Beispiel für eine Serie, die nur aufgrund des Konsums von den My-Little-Pony-Figuren entstanden ist).
schon im Intro bemerkt man: Es sind fast nur Mädchen zu sehen - bei Pferden als klassisches Mädchenthema, kaum eine Überraschung. Die Melodie ist blumig, die singende Stimme hoch und bricht erstmal mit einem poppigen „yeah, yeah, yeah, yeah...“ ein, was man bei einer Serie, die für Jungs konzipiert würde, wohl eher weniger vorfinden wird. Alles wirkt zudem irgendwie rosa angehaucht.
Was mich immer total gestört hat, da ich nie so ein Pferdemädchen war und nie verstanden habe, wieso Mädchen immer mit Pferden und Rosa assoziiert werden. Solche einseitigen Darstellungen in Serien, in der vielleicht mal ein oder zwei männliche Reiter zwischen sieben oder acht Mädchen gezeigt werden, wird bestimmt nicht dabei helfen, dieses Klischee zu brechen, so dass auch mal mehr Jungs Lust aufs Reiten bekommen.
Als Gegenbeispiel kann man „Roary, der Rennwagen“ oder „LEGO Ninjago“ nehmen (hier gilt ähnliches wie bei "My Little Pony" – man hatte Figuren, die man verkaufen wollte und hat prompt einfach eine Serie dazu gemacht, um mehr Kinder dazu zu bringen, sie zu kaufen):
Hier merkt man direkt: das wird eine Jungen Serie: nur männliche Charaktere oder Autos. Natürlich wird das Intro von einer männlichen Stimme gesungen und es geht mehr um Action und Raserei, als um Freundschaft und Liebe.
Auch interessant ist, was man zu sehen bekommt, wenn man bei YouTube „Autoserien für Kinder“ eingibt: da bekommt man „Tom der Abschleppwagen“ oder „Lucas der Monster Truck“ - bei „Pferdeserien für Kinder“ kriegt man stattdessen „Barbie – Beste Pferdefreunde“ oder „Lenas Ranch“. Derartig offensichtliche Geschlechterschubladen für Kinder tun schon weh. Vor allem in Zeiten, in denen man erkannt haben sollte, dass auch Mädchen Autos und die Farbe blau mögen können, sowie auch Jungs rosa Pullis tragen und gerne reiten gehen können. Dieses „Nur für Jungs“ und „Nur für Mädchen“ ist längst überholt, auch schon zu den Zeiten, wo diese Serien produziert wurden. Nur leider wird dieses Bild durch die Musik dieser Serien nur noch mehr unterstützt. Und es hört nicht bei Kinderserien auf – auch in Jugend- und Erwachsenenalter gibt es diese Unterteilung noch, ob nun in Zeitschriften, Serien oder Filmen oder eben auch in der Musik. Männer kriegen Motorsportmagazine, Frauen Liebeskomödien – mit den entsprechenden Intros.
Zusammengefasst lässt sich sagen: Musik aus Kinderserien kann etwas sehr Schönes sein, was Kindern die Musik näher bringt und Moral vermittelt. Man darf jedoch nicht vergessen, dass auch dieses „Genre“ nicht von der konsumorientierten Gesellschaft verschont bleibt und man sollte mit einem wachsamen Auge darauf achten, in welche Richtung es ausschweift. So kann man den Kindern oder kleinen Geschwistern eher Serien nahe bringen, die moralische Werte und keine überholten Geschlechterrollen vermitteln, oder solche, wo der „Merch“ nich wichtiger ist, als die Serie an sich.
Meret Stursberg
Momentan studiert Meret Philosophie in Düsseldorf und arbeitet ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe, treibt sich aber ansonsten die ganze Zeit auf Konzerten oder Festivals quer durch Deutschland und in anderen Ländern rum. Sie liebt Reisen und lernt auch im Ausland viele interessante Musiker kennen. Ansonsten spielt sie selber mehr schlecht als recht Bass in einer kleinen Punk-Band. Musikalisch kann sie fast jedem Genre etwas abgewinnen und bezeichnet ihre Playlist auch als Büchse der Pandora, weil zwischen Punk, Indie, Rock, Ska, Metal, Trash und Hip Hop manchmal auch einfach klassische Musik oder Kinderserien-Intros anspringen.