Abschiede – ein Thema, über das ich gefühlt mehr Musik liebe als zu irgendeinem anderen Gebiet. Was sagt das über mich, was sagt das über Musik? Wahrscheinlich beweist es mir einerseits, dass traurige Songs immer tiefer greifen als fröhliche – diese These hatte Jesse Barnett mir schon einmal vor Jahren in einem Interview erzählt – und anderseits, dass ich in den letzten Jahren vielleicht ein wenig zu viel Songs brauchte, die mich in Momenten von Trennungen jeglicher Art auffangen mussten. Dazu musste irgendwann wohl sogar Musik dienen, die mit dem Thema Abschied eigentlich gar nichts zu tun hat, die mich aber in ihrer Stimmung in solchen Momenten aber auf dem richtigen Nerv erwischte. Ich denke da zum Beispiel an Steven Wilsons „Transience“, das sich mit seinen sanften Instrumentals und außerweltlichen Chören so herrlich sublim anfühlt. Aber es gibt noch so unendlich viel andere Musik, die sich mit diesem offenbar sehr tiefgreifenden Thema menschlicher Emotionalität auseinandersetzt. Max Herres „Athen“ zum Beispiel, das mich nicht nur mit seinem überragend melancholischen Pink-Floyd-Part in der Mitte kriegt, sondern vor allem mit seinem leisen Finale, in dem die Geliebte plötzlich die Flucht ergreift und Herre vor Kummer nicht mal mehr reimt. Lord Hurons „The Night We Met“ ist für mich einer der absolut herzzerreißendsten Wünsche daran, im Moment des Abschieds noch einmal die Magie des Anfangs erleben zu wollen – ebenso, wenn Muse im dritten Teil ihrer „Exogenesis“-Trilogie die schmerzliche Frage stellen: „Why can’t we start it over again?“ Mindestens genau so schmerzlich ist es für mich, wenn Touché Amorés Jeremy Bolm in „Rapture“ feststellt: „Someone you love is gone / and leaves you fractured“. Biffy Clyros „Opposite“ zählt zu den traurig-schönsten Rockballaden, die ich je gehört habe, Trade Winds „I Can’t Believe You’re Gone“ weiß Barnetts zu Beginn dieses Textes erwähntem Statement eindrucksvoll wehtuend Beweise zu bieten. Müsste ich mich am Ende des Tages auf einen einzigen besten Abschiedssong aller Zeiten einigen, dann wäre es wohlmöglich Julien Bakers „Something“. Wie weh muss ein Mensch jemandem getan haben, damit er so etwas zu Papier bringt? Um nur mal einen Auszug zu nennen: „I know you left hours ago / I still haven’t moved yet / I knew you were gone months ago / But I can’t think of anyone else”. Und später dann: “I know I meant nothing, nothing to you / I thought I meant something, something, something / But I just said nothing, said nothing, said nothing / Sat and watched you drive away”. Um es ausgerechnet mit Philipp Poisel zu sagen: Wie soll ein Mensch das ertragen?