Faires Merch: Der große AdW-Buyer’s Guide
08.03.2022 | Kai Weingärtner
Nachhaltiges Merch – ein Shirt mit sieben Siegeln?
Wer sich mal etwas länger mit dem Thema Nachhaltigkeit in der Textilbranche auseinandergesetzt hat, kommt schnell an einen Punkt der Frustration. Es gibt tausende von Herstellern und hunderte von Siegeln und NGOs, die einem ein vermeintlich grünes, faires und soziales T-Shirt andrehen wollen. Immerhin haben große Unternehmen wie Zalando und Co. den “Hype” mittlerweile erkannt und führen eine eigene Kategorie für grüne Textilien auf ihrer Homepage. Auch große Merch-Versandhändler wie beispielsweise Impericon.de machen das mittlerweile so. Oftmals haben aber die Firmen dann einfach ihre eigenen Siegel aus dem Boden gestampft und beweihräuchern sich selbst, weil sie ihre von sich selbst gesteckten und kontrollierten Ziele und Prinzipien einhalten. Bravo! Auch in der Merchindustrie, wo oft einige riesige Produzenten den halben Markt mit Rohlingen versorgen, sieht man oft vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Wir haben für euch mal ein paar der häufigsten Labels und Siegel unter die Lupe genommen. Auf Seiten wie Siegelklarheit könnt ihr außerdem alle möglichen Labels auf Herz und Nieren selbst überprüfen.
Die Fair-Wear Foundation
Die Fair-Wear Foundation ist eine 1999 gegründete Stiftung, die Arbeitsbedingungen in Textilfabriken in elf Ländern mittels unabhängiger Auditor:innen überprüft. Die kooperierenden Marken bekommen einen Score zwischen 0 und 100 und es werden jährliche Berichte veröffentlicht, die für alle Marken transparent auf der Homepage der FWF einsehbar sind. Die vorbildlichsten Marken erhalten den Status “Fair-Wear Leader”. Diesen Titel hat zum Beispiel das Label “Earth Positive” der Firma Continental Clothing, auf deren Rohlinge zum Beispiel das Hurricane Festival seine Motive druckt. Da die Fair-Wear Foundation vor Allem mit europäischen Marken kooperiert, findet sich ihr Label häufig auf Shirts von europäischen Künstler:innen. Die Verbraucherzentrale NRW hat die Fair-Wear Foundation als Vorbild in den Bereichen “Soziales” und “Glaubwürdigkeit” ausgezeichnet.
GOTS
GOTS steht für “Global Organic Textile Standard” und gibt Auskunft über die Herkunft und ökologische Nachhaltigkeit der Materialien, aus denen ein Textil hergestellt wurde. Von solchen Siegeln gibt es viele, OEKO-Tex, BCI (Better Cotton Initiative), OCS (Organic Content Standard) und zig weitere. Während GOTS zwar das anspruchsvollste dieser Label ist, gilt für alle gleichermaßen: Der Fokus liegt hier ausschließlich auf der ökologischen Nachhaltigkeit der Rohstoffe. Oftmals werden Aspekte der sozialen Nachhaltigkeit (Arbeitsbedingungen, faire Löhne etc.) wenig bis gar nicht berücksichtigt.
FairTrade, WFTO
Das FairTrade-Siegel und die World Fair Trade Organisation (WFTO) kennt man wohl häufiger von Lebensmitteln wie Kaffee und Schokolade, die Labels finden sich aber auch immer häufiger auf Textilien. Beide haben hohe Ansprüche an die soziale Nachhaltigkeit der Produkte, die sie mit ihrem Siegel betrauen. Die WFTO hat derzeit keinen dedizierten Fokus auf ökoligische Nachhaltigkeit, das FairTrade-Siegel gibt aber immerhin auch Auskunft über Dinge wie Pestizidnutzung oder erneuerbare Energien.
WRAP, Bluesign und Co.
Einige der größten Merchhersteller wie zum Beispiel Gildan werben in der “Sustainability”-Spalte ihrer Website damit, Mitglied der “Worldwide Responsible Accredited Production”, kurz WRAP, zu sein und sich an deren Vorgaben zu halten. WRAP ist eine vor Allem in Nordamerika arbeitende NGO, die sich für ethische Arbeitsbedingungen in Fabriken des Textilsektors einsetzt. Einige der größten Fashion-Firmen der USA zieren ihre Internetauftritte mit dem Logo von WRAP. Das große Manko an WRAP ist, dass es sich dabei um eine Unternehmensinitiative handelt. Das bedeutet, dass, im Gegensatz zu Stiftungen wie der FWF, hier die Unternehmen sich einer Art freiwilligen Selbstkontrolle unterziehen. Alle Richtwerte sind von den teilnehmenden Unternehmen aufgestellt worden und werden auch von Ihnen kontrolliert. Dementsprechend sind diese Siegel eher mit Vorsicht zu genießen. Ähnliches gilt zum Beispiel auch für das Label BlueSign Product. Hierbei handelt es sich um ein Gütezeichen, das Auskunft darüber gibt, ob ein Produkt unter Verwendung gesundheitsgefährdender Stoffe hergestellt wurde. Darüber hinaus gibt es allerdings keine Auskunft über die Nachhaltigkeit oder Fairness des Products. Trotzdem versuchen viele Firmen, ihre Produkte über solche Siegel ein bisschen grüner erscheinen zu lassen.
Die Hersteller
Wie bereits erwähnt, gibt es eine Reihe von Firmen, die sich vor allem auf die Produktion von farbigen Textil-Rohlingen spezialisiert haben. Diese Firmen kommen in verschiedenen Größenordnungen und haben unterschiedliche Ansprüche an Themen wie soziale Fairness, Ökologie und Nachhaltigkeit. Ein paar der größten haben wir uns im Folgenden mal genauer vorgenommen.
Gildan
Gerade große, internationale Acts verkaufen oft einfach ihre Lizenz an Drittunternehmen, die dann ebenfalls eigenes Merch herstellen. Ein großer Teil der unter anderem so entstehenden Rohlinge wird aus den Fabriken der Firma Gildan kommen. Zu Gildan gehören auch noch Marken wie American Apparel, die teilweise auch Merch herstellen. Gildan ist Teil der WRAP Initiative und setzt, wenn man der Internetpräsenz nachgeht, auf selbstgesteckte Ziele, sogenannte “commitments” zur Eindämmung von Kinderarbeit und der Gewährleistung fairer Entlohnung. Gildan hält sich dabei eher an das Minimum. Sie erlauben Gewerkschaften und zahlen Urlaubsgeld und werben groß damit, dass ihre Managementebene zu 39% aus Frauen besteht. Belastbare Aussagen über die Arbeitsbedingungen und Eigenschaften der Produkte finden sich wenige. Es ist die Rede von Wasserminimierung und 100% der Textilabfälle werden recycled. Außerdem versucht Gildan eine EEG-Quote von 33% als Schritt in eine grüne Zukunft zu verkaufen.
B&C Collection
B&C Collection ist ein weiterer großer Lieferant von Textilrohlingen. Bands wie Bring Me The Horizon oder Architects drucken beispielsweise viel auf B&C Shirts. Das Unternehmen ist zwar Mitglied der FairWear-Foundation und unterzieht sich somit auch deren Aufsicht und Kontrolle, hat aber nicht, wie andere Marken, den “Leader”-Status. B&C bewegt sich mit einem Score von 65 da also eher noch im oberen Mittelfeld, allerdings unternimmt die Marke laut FWF viel, um diesen Score weiter auszubauen. B&C Collection bietet darüber hinaus auch Textilien aus OEKO-Tex und BCI-zertifizierter Biobaumwolle an, und alle Produkte sind PeTa vegan approved (was bei Baumwollshirts jetzt nicht das allergrößte Kunststück sein dürfte).
Continental Clothing
Unter der Firma Continental Clothing verstecken sich neben Continental selbst auch noch die Labels EarthPositive, Salvage und FairShare. Alle stellen – mit jeweils eigenem Fokus – nachhaltige Textilien her. EarthPositive konzentriert sich auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit und stattet unter Anderem Bands wie Fjort, Heisskalt oder Itchy mit Merch aus, aber auch große Festivals wie das Hurricane setzen auf EarthPositive. Salvage findet sich im Merchbereich eher weniger. Die Marke spezialisiert sich auf recycelte Textilien. FairShare ist die neueste der Continental-Marken und legt einen noch stärkeren Fokus auf Themen der sozialen Nachhaltigkeit, living Wages, Vergewerkschaftung oder nachhaltige Lieferketten. Das Unternehmen ist mit einem Score von 79 Leader der FairWear-Foundation.
Stanley/Stella
Mit einem FWF-Score von 81 ist die Marke Stanley/Stella sogar noch ein Stückchen höher bewertet als Continental Clothing. Alle Baumwollprodukte haben zudem das Gütesiegel GOTS, und teilweise bietet das Sortiment auch Fairtrade-zertifizierte Textilien. Neben Continental/ EarthPositive ist Stanley/Stella vor Allem in Deutschland die größten Anbieter für nachhaltige Merch-Rohlinge. Neben Künstler:innen wie Adam Angst oder die Ärzte setzt zum Beispiel auch das Münchener Label Munich Warehouse mittlerweile komplett auf Stanley/Stella.
Fruit of the Loom
Fruit of the Loom ist, zusammen mit Gildan, wohl unter den präsentesten Namen, die ihr in den Etiketten vieler T-Shirts und Pullis finden könnt. Ähnlich wie bei Gildan sieht es aber auch hier eher mau aus an der Fairness-Front. Auch Fruit of the Loom ist Mitglied der WRAP-Initiative, über deren Mangel an Glaubwürdigkeit wir ja weiter oben schon gesprochen haben. Darüber hinaus brüstet sich die Firma mit einem firmeneigenen Arbeitssicherheitskodex und damit, dass sie bis zu 60% ihres Abwassers recyceln. Alles keine schlechten Maßnahmen, keine Frage, aber es fehlt hier einfach an unabhängiger Kontrolle und ambitionierten Commitments. Immerhin setzen auch Fruit of the Loom vermehrt auf Bio-Baumwolle und umweltfreundliche Energieerzeugungsmethoden.
Abschließend bleibt uns noch einmal zu sagen: auch das fair gehandelte Bioshirt aus nachhaltiger Baumwolle hat einen Einfluss auf die Umwelt und kopfloser Konsum, auch von Fair Fashion, ist höchstens für das eigene Gewissen eine Lösung. Informierte und überlegte Kaufentscheidungen bleiben ein wichtiger Schritt, Merchandise zu einer nachhaltigeren Branche zu machen. Wenn ihr euch aber ein Shirt kaufen wollt, ist ein fair gehandeltes meistens die bessere, saubere Alternative. Unten findet ihr übrigens die wichtigsten Quellen zur FWF und den verschiedenen Siegeln und Initiativen, falls ihr selber noch was nachlesen wollt.
Kai Weingärtner
Kai studiert zur Zeit mehr oder weniger erfolgreich Politikwissenschaft und Anglistik in Osnabrück. Da man damit natürlich keinerlei Aussichten auf einen “vernünftigen” Job hat, ist er nun bei Album der Woche angeheuert um sich seine Zukunft als Taxifahrer etwas aufzulockern. Sein Musikgeschmack umfasst alles, was E-Gitarre und Schlagzeug hat oder anderweitig Krach macht.