Über ein Jahr später holen Radio Havanna ihre Veto Tour nach und können unter 2G-Auflage sogar volle Clubs bespielen. Nachdem schon diverse Kolleg:innen in den Genuss von vollen Clubkonzerten ohne Sitzplatz, Maske oder Abständen kamen ist das Konzert in Leipzig im Werk 2 mein erstes "richtiges" Konzert. Schon Tage vor dem Konzert spüre ich diese Vorfreude auf die Show und gleichzeitig mischen sich sorgenvolle Gedanken dazu:
Wie sicher ist so ein 2G-Konzept?
Hoffentlich werden die Besucher:innen alle vernünftig kontrolliert!
Werde ich das Konzert unter diesen Umständen genießen können?
Fast-Forward zum Konzertabend und zumindest eine Sorge habe ich schon einmal weniger beim Anblick der Check-In Station vor dem Werk 2. Die Crew kontrolliert gewissenhaft sämtliche Zertifikate inklusive Ausweiskontrolle und auch ein Check-In über die Corona-App ist notwendig. Die Wartezeiten halten sich in Grenzen und es geht fix in die Halle. Mit jedem Schritt spüre ich, wie die Aufregung steigt und schnell erblicke ich viele gute Bekannte und Freunde, die ich zum Teil tatsächlich fast zwei Jahre nicht gesehen habe. In den Gesprächen stelle ich schnell fest, dass meine Sorgen so ziemlich alle teilen, aber spätestens mit den ersten Akkorden von der fantastischen Vorband Vizediktator fällt scheinbar alles ab.
Schon ab dem ersten Song sehe ich Menschen einen kleinen Moshpit bilden und bei einem ersten Blick in die Runde sehe ich ausnahmslos fröhliche, ja erleichterte Gesichter. Auch wenn es eventuell im Kontext etwas seltsam klingt, aber dieses sichtliche Abfallen sämtlicher Entspannungen scheint ansteckend zu sein.
Vizediktator spielen ein solides Set aus ihren besten Songs und ich freue mich diese Band nach langer Zeit wieder live spielen zu sehen. Die Songs kommen gut beim Publikum an und je tiefer im Set desto mehr Eskalation ist auf der Tanzfläche zu sehen. Die Berliner haben auch einige Banger-Hits im Repertoire: Staub & Drogen, Tränen im Gesicht und Halleluja nehmen auch mich mit und ich zeige auch etwas zögerlich in der Mitte der Tanzfläche Präsenz. Die anderen Kolleg:innen sind da schon teilweise deutlich weiter und einer ist sogar schon dabei, die heutigen Bedingungen für Flüge auszutesten. Es sieht noch etwas nach Turbolenzen aus aber wenn das so weiter geht sollte es deutlich mehr Verkehr über den Köpfen geben.
Kurze Umbaupause und dann geht der Spaß schon weiter. Mittlerweile bin ich mir sicher, dass ich den Abend genießen werde. Radio Havanna sind gut drauf und spielen ein ordentliches Set mit einem Mix aus alten Fan-Favorites und dem Album "Veto" welches ja eigentlich auch mal der Anlass für die Tour gewesen ist. Neu ist die Scheibe nicht mehr, aber bis auf einige Open Air Shows hatte die Band bisher kaum Gelegenheit die Songs auf Livetauglichkeit zu prüfen. Mittlerweile ist kein Halten mehr und die Band haut erbarmungslos noch Coversongs oben drauf. In Leipzig wird natürlich der Klassiker "Alles nur geklaut" von den Prinzen gespielt und wenn auf der nächsten Tour nicht mindestens ein Prinz mal zum Feature kommt bin ich vermutlich wirklich enttäuscht.
Der weitere Konzertabend hat eigentlich alles was man sich so vorgestellt hat: Menschen fliegen über Köpfe, es werden Fahnen geschwungen und der Biervorrat des Clubs wird auch ordentlich verringert. Natürlich darf das Papierkonfetti nicht fehlen und die Band lässt sich unter Applaus auch zu einer ausgedehnten Zugabe noch hinreißen.
Bleibt mir nur noch an dieser Stelle ein Fazit zu ziehen: zwei der eingangs erwähnten Sorgen sind am Abend dann der Freude gewichen. Alle Beteiligten haben sich große Mühe gegeben, das Konzert unter 2G ordentlich durchzuführen und vermutlich wird dies auch die neue Normalität werden. Bleibt nur zu wünschen, dass alle Konzertbesucher:innen und Bands sowie Crews ohne Corona-Infektion gut nach Hause beziehungsweise zum nächsten Tourstop kommen.