Element of Crime und "Morgens um vier": Vom Wankelmut der Liebe
20.04.2023 | Frank Diedrichs
Schließen sich mit dem neuen Album "Morgens um vier" der Band Element Of Crime literarische und lyrische Kreise? Sven Regeners Romandebüt „Herr Lehmann“ beginnt „Morgens um vier“ – Die Zeit, in denen Städte zwischen Einschlafen und Aufwachen mäandern, die letzte Straßenbahn schon abgefahren ist, der Kneipenbesucher erschöpft den Weg nach Hause sucht, während der Bäcker müde schon den Ofen anwirft. In diesem Dämmerzustand sind die Lieder des neuen Albums erzählerisch verortet.
Liebeslieder dominieren das neue Album der Band Element Of Crime, sie schafft es in den Strophen große Geschichten auszumalen. Wobei diese Liebeslieder weit entfernt sind von all dem Kitsch, der häufig mit Liebesliedern verbunden wird. Sie sind verklausuliert, mal positiv, mal skeptisch und häufig lassen sie den Hörer ratlos zurück. Es sind Geschichten von Romantik („Nur der Anfang“), die einen verklärten Blick auf den Alltag der Liebe gewähren. Aber sie lassen das lyrische Ich auch im Unklaren wie in „Liebe ist nur ein Wort“. In den Texten wird deutlich, dass Liebe so vieles mehr ist als nur ein Wort: Sie ist Hoffnung, Enttäuschung, Trugbild, Sicherheit und Lebensnotwendigkeit.
"Das Leben ohne Liebe
ist nicht so einfach,
wie du glaubst"
Das Album lebt von den Texten. Kleine Botschaften, die zwischen den Zeilen hervorblicken. Die häufigste zitierte Songzeile ist und wird „Wir haben keine Lösung, wir haben Lieder“ aus dem Opener „Unscharf mit Katze“ sein. Sven Regener sieht eine klare Trennung zwischen Kunst und Politik. Er kritisiert die Politisierung von Kunst und Musik und erkennt, dass Künstlersein niemanden zum politischen Menschen macht. Wenn Sven Regener mit Element Of Crime Musik macht, dann macht dies der Musiker und nicht der Schriftsteller und nicht der politische denkende Mensch.
Im Arrangement der Lieder finden sich zu den vergangenen Alben kaum Veränderungen. Die Band bleibt sich musikalisch treu, ohne langweilig zu wirken. Die dezente, leicht verzerrte Gitarre im Hintergrund, begleitet von Bläsern und Akkordeon bestimmt die Klangfarbe der Lieder. Die Reduzierung der Instrumentierung beispielsweise durch den Verzicht auf Streicher gibt dem Gitarrenspiel von Jakob Friderichs mehr Raum. Aber auch die Stimme Sven Regeners und seine Lyrics kommen nun stärker hervor. Der fast vollständige Verzicht auf Gastmusiker sorgt für eine Konzentration auf die Fähigkeiten der Bandmitglieder. Einzig das Duett mit Tobias Bamborschke von Isolation Berlin in dem Song „Dann kommst du wieder“ bricht hiermit, aber in einer harmonischen Weise, dass mensch sich beim heimlichen Schunkeln und Mitwippen erwischt. Denn letztlich ist es die Gewissheit, dass jede:r dieses Leiden und Erleiden von Liebe mitfühlen kann.
Wertung
Wunderschöne, melancholische Liebeslieder verpackt in dezentem musikalischen Klang. Element Of Crime schaffen es wieder in kurzen Strophen die großen Geschichten über die ganze Vielfalt der Liebe zu erzählen. Und jener Zustand morgens um vier, in dem mensch noch wach ist oder schon wieder wach ist, schwebend und dämmernd, hat schon immer die besten Geschichten hervorgebracht. Auch wenn "Liebe nur ein Wort" zu sein scheint, finden Element Of Crime doch erstaunlich viele Worte.
Frank Diedrichs
Frank lebt seit über zwanzig Jahren in der Mitte Niedersachsens und unterrichtet Kinder und Jugendliche an einer Oberschule. Nach seiner musikalischen Erstprägung durch die Toten Hosen und Abstürzenden Brieftauben erweiterte er seine Hörgewohnheiten: Folkpunk, Singer-/Songwriter, Blues, Deutschpunk, US-/UK-Punk. Dabei kommt von Johnny Cash über The Beatles und Pascow bis hin zu Marvin Gaye eine Menge Vielfalt aus den Boxen, am liebsten als Vinyl.