Cigarettes After Sex ertrinken auf ihrem Debüt in traumgleicher Melancholie
13.06.2017 | Jakob Uhlig
Zugegeben, besonders große Songwriter sind die New Yorker mit Sicherheit nicht. Überraschende Wendungen oder besondere Raffinessen sucht man über die gesamte Dauer der Platte vergebens. Beeindruckend sind vielmehr die unglaublich tiefen Klangwelten der Band. Die fangen schon bei der verquer-rauchigen Stimme von Frontmann Greg Gozales an, die kaum vermuten lassen würde, dass hier ein Mann vor dem Mikrofon steht. Gerade diese wirklich einzigartige Stimmfarbe verursacht einen besonderen Reiz. Alles, was darum geschieht, scheint sich an dieser Säule aufzuhängen. Die dezenten anklingenden Gitarren verursachen mit viel Hall große Soundwände, die tragenden Ambient-Synthesizer versetzen das weite Klanggerüst endgültig auf eine Leinwand mit vielen tiefblauen Pinselstrichen. Jeder Track der Platte fühlt sich wie ein gleichmäßiger und wunderschöner Rausch an. Da wären überraschende Wendungen im Sound fast schon störend.
Cigarettes After Sex - "Each Time You Fall In Love"
Für ein Album funktioniert auch diese andauernde Monotonie durchgängig. Nach einer Dreiviertelstunde erwachen Cigarettes After Sex aus ihrer Scheinwelt und lassen die Ruhe wie sanfte Wellen ausklingen. Trotzdem können die samtig-weichen Trommelfell-Massagen nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Erlebnis nicht ein zweites Mal funktionieren kann. Die Band schießt sich sehr auf einen Sound ein, den sie zweifelsohne gut beherrscht, dessen kreative Möglichkeiten aber schnell ausgeschöpft sein werden. Dass die US-Amerikaner auch über den eigenen Tellerrand hinausblicken können, müssen sie erst noch unter Beweis stellen. Für den Moment ist „Cigarettes After Sex“ aber ein faszinierendes und traumwandlerisches Erlebnis.
Wertung
Cigarettes After Sex spielen keine Musik, sie schaffen Fantasiewelten. Das ist sehr schnell sehr packend, könnte ohne frische Ideen auf dem kommenden Album aber auch schon der Höhepunkt einer kurzen Karriere sein.
Jakob Uhlig
Jakob kommt aus dem hohen Norden und studiert zur Zeit historische Musikwissenschaft. Bei Album der Woche ist er, neben seiner Tätigkeit als Schreiberling, auch für die Qualitätskontrolle zuständig. Musikalisch liebt er alles von Wiener Klassik bis Deathcore, seine musikalische Heimat wird aber immer die Rockmusik in all ihren Facetten bleiben.