ClickClickDecker und „Am Arsch der kleinen Aufmerksamkeiten“: Fortgesetzt
15.11.2018 | Sarah Ebert
Der wohldosierte Krach zu Beginn der neuen Platte klingt strahlend schön und geerdet zugleich. Klickende Geräusche, ein feines Rauschen, ausladende Gitarrenakkorde und das Harmonium in Stoßatmung vermengen sich in einem Sound-Strudel mit allerlei Effekten, um kurz darauf Hamanns vertraut unaufgeregtem Gesang Platz zu machen. Inhaltlich ist der Aufruhr allerdings deutlich zu spüren, besingt er doch kleine und große Merkwürdigkeiten mit gewaltigen Gedankensprüngen und einem Auge fürs Detail im alltäglichen Dunst. „Mandelika“ ist nicht nur die erste Single-Auskopplung, sondern dient auch als stimmungsweisender Opener des sechsten Albums. Die warme und getragene Stimmung der Instrumentalstimmen klingt unweigerlich nach Zuversicht und einer beruhigenden Umarmung, während die gesungenen Verse eine kontrastierende Botschaft vermitteln. Die Gedanken einer verschleppten Quarterlife-Crisis in „Bielefeld“ werden von ungewöhnlich eindrucksvollen und doch profanen Beschreibungen der Alltäglichkeit gerahmt. In „Stoßlüften“ werden große Fragen aufgeworfen (Ist Vergessen eine Decke?) und verkopfte Ratschläge erteilt (Du musst dich vorwärts erinnern.), während allgegenwärtige Ängste in „Minutenklopfer“ und das Changieren zwischen Begehren und Zweifel in „zwei Klettergerüst“ besungen werden. Zur Halbzeit erreicht das Spektakel seinen Höhepunkt mit dem wohl einzig eindeutigen Song „Schreckmensch“, in dem Hamann seine durchlebte Depression mit drei einfachen Versen verbalisiert: „Was ich von mir sagen will / Und was ich von mir halte / Ich bin der schrecklichste Mensch der Welt“. Musikalisch klingt das vertonte Geständnis eher nach Sorglosigkeit und verträumten Indie-Melodien.
ClickClickDecker verbinden während des gesamten Albums diese lyrische Schwere mit einer musikalischen Leichtigkeit. Detailverliebt und aufmerksam skizzieren sie das Leben, wie es jedem von uns begegnen könnte und enden dabei nicht selten in kryptischen Satzfetzen und Wortgefechten der wildesten Art. Mit 13 Songs und 50 Minuten Spiellänge haben sie so eine umfangreiche und atmosphärisch dichte Platte geschaffen, die allerdings auch berechenbar bleibt. Große Überraschungen oder besonders herausstechende Titel darf man nicht erwarten, wenn man sich auf ClickClickDeckers Gesamtwerk einlässt. Für die Allermeisten macht eben dieser beständige Sound mit all seiner tiefschürfenden Kraft den Charme dieser Musik aus.
Wertung
Ich liebe es, mich in den Liedern von ClickClickDecker zu verlieren. Was man dafür allerdings braucht ist Zeit und Muße, um sich auf die besondere Atmosphäre aus Leichtigkeit und Schwere einzulassen. Wirklich neu ist das alles nicht, aber deswegen nicht weniger schön!
Wertung
Das Album verspielt sich zu sehr. Viele wunderschöne Stilelemente kommen durch ein großes Wirr-Warr oft nur behaglich durch. Passagenweise passiert aber auch zu wenig. Mit wirklich verträumten Texten begeben sich ClickClickDecker in eine trotzdem sehr kritische Welt. Alles in allem umhüllt das Album eine sehr nette, angenehme Atmosphäre.
Sarah Ebert
Sarah lebt in Frankfurt und hat ihr Studium der Germanistik, Philosophie und den Erziehungswissenschaften gewidmet. Sie brennt für gute Musik aller Art, lässt sich aber wohl am ehesten zwischen Punk, Rock & Indie verorten.