Death Cab For Cutie und „Thank You For Today“: You taste so sweet, it hurts a little
21.08.2018 | Julius Krämer
Sich die Erfolge der Konkurrenz zu Herzen nehmen und die Fehler vermeiden - so wird es immer gelehrt. Obwohl Death Cab For Cutie mittlerweile über zahlreiche Zweifel erhaben sind, befolgen sie genau dieses Credo: „Thank You For Today“ ähnelt in vielerlei Hinsicht dem stinklangweiligen „Tranquility Base Hotel & Casino“, dem aktuellen (und zugegebenermaßen ersten richtigen) Reinfall der Arctic Monkeys. Eine ähnliche Stimmung voller Trance und Lounge-Atmosphäre transportieren auch Death Cab For Cutie auf ihrem neusten Album. Ihre folgenreiche und wegweisende Entscheidung: Sie vergessen die 80er dabei nicht.
Etwas paradox gewählt ist daher der Titel „Thank You For Today“, aber auf so manches muss man sich bei diesem Werk einlassen, um es wirklich verstehen zu können. Allem voran auf den synthie-dominierten Sound, der sich, wohl nicht ganz zufällig während des momentanen Retrowave-Revivals, wie ein zähes Kaugummi durch alle zehn Songs zieht. Der stilisierte Gesang Ben Gibbards wirkt wie eine einzige Hommage an die Pet Shop Boys. Die wirkungsvolle, aber unter Umständen ermüdende, Repetition der Arrangements tut ihr übriges. Trinkt man sich jedoch durch diesen ungesunden, aber sündhaft schmackhaften Softdrink aus gesäuselten Zeilen und sanfter, flächiger Elektronik, so wird man nicht nur mit einem Zuckerschock, sondern auch mit einem gelungenen Album belohnt.
„Summer Years“ etwa kombiniert ein dezent treibendes Schlagzeug und süßlich-schwebende Gitarren-Klangflächen und „When We Drive“ packt die 80er-Keule noch eindeutiger aus und verzuckert nicht nur mit Feelgood-Indie à la Turnover, sondern erinnert auch im Gesang an David Bowie oder ferner an den aktuellen Alex Turner. Man muss für Songs wie „Autumn Love“ zugegebenermaßen in einer „Mylo Xyloto“-Stimmung sein, um einen Song von derartigem Kitsch zu genießen, aber Komposition, Melodie und Sound sind zweifelsohne gelungen. „Gold Rush“ bricht mit seinem manischen Kopfnicker-Beat etwas aus, setzt aber zu allem Überfluss sogar noch ein leichtes Autotune und sanften Daft-Punk-Vocoder auf die Stimme. Gibbard sehnt sich hier nach dem Stillstand ob des kurzweiligen Glücks: „Stay/Be with way/Please don’t change“ - das einzig Beständige bleibt aber bekanntlich die Veränderung, das wissen auch Death Cab For Cutie: „Looking for something I can never find“.
Wertung
„Thank You For Today“ ist ein zuckersüßes Dreampop-Kaugummi, das besonders beim melancholischen Versinken an wolkigen Tagen schmeckt, dabei aber nicht in der Intensität nachlässt, sondern sich wegen derartiger 80er-Schmalzigkeit, Midtempo und Dur-Dominanz fest im Gaumen festklebt. Das kann man guten Gewissens köstlich oder abstoßend finden, aber zum Glück sind Süßigkeiten ja Geschmackssache.
Julius Krämer
Julius stammt aus dem hoffnungslos unterschätzten Wuppertal und studiert momentan Musikpädagogik und Politikwissenschaft in Münster. Neben seiner Tätigkeit als Gitarrist in verschiedenen Bands begeistert ihn alles von Prog über Alternative bis Hardcore, er unternimmt aber auch gerne Ausfüge in HipHop, Jazz oder elektronische Musik und mag dabei besonders die Verarbeitung übergeordneter Gedankengänge oder des Zeitgeschehens in der Musik.