Deep Purple und "=1": Altes Eisen?
06.08.2024 | Mark Schneider
Es gibt Züge, die scheinen einfach nicht abzufahren. Der Zug, mit dem Deep Purple gefühlt seit dem Zeitalter der Dinosaurier durch unsere Musiklandschaft cruisen, ist einer davon. Und auch wenn an diesem Vergleich technisch und historisch rein gar nichts zusammenpasst, ist die Intention dahinter hoffentlich klar: Die Verwunderung darüber, dass es diese Band nach all diesen Jahren immer noch gibt und sie im gesunden Turnus Studioalben auf den Markt bringt. Wir schreiben also das Jahr 2024 und Deep Purple bringen im minalistischen, 98% weiß gehaltenen Cover das Album "=1" heraus. Zurück zur großen Frage: Was steckt drin im neuen Werk der Rocklegenden um das letzte "echte" verbliebene Gründungsmitglied Ian Paice?
Die Herangehensweise auf "=1" stellt sich recht schnell heraus. Deep Purple versuchen erst gar nicht, mit ihrer Musik so richtig in der heutigen Zeit anzukommen. Die Musik ist nicht übermäßig ausproduziert, auf künstliches Vertuschen vom fortgeschrittenen Alter vor allem im Bezug auf den Gesang von Ian Gillan wird verzichtet. Leider eröffnet jedoch mit "Show Me" ein Stück das Album, welches mit seinem größtenteils auf die Riffs gesungenen Text, der zudem in manchen Reimen nicht vor massiver Kreativität strotzt, nicht wirklich mehr als Hinnehmen auslöst. Was nach den ersten Minuten des Albums aber bleibt, ist ein erster Eindruck von nicht zu verachtender Spielfreude und dem, was diese Musikvirtuosen wohl im Schlaf können: Soli spielen. Hier hat man sich mit Simon McBride im Jahr 2022 frisches Blut in die eigenen Reihen geholt. McBride ist 1979 geboren, somit elf Jahre nach der Namensgebung von Deep Purple auf die Welt gekommen, und tut mit seinem Spiel der Band wirklich sehr gut.
Die ersten Songs auf "=1" benötigen Deep Purple, um langsam Fahrt aufzunehmen. "Sharp Shooter" als dritter Song des Albums bereitet dann das vor, was "Portable Door" als eines der großen Highlights auf diesem Album vollendet: Keyboardunterlegte Strophen, eine klare Richtung im Beat, ein melodischer Refrain und im Mittelteil folgt Keyboard- auf Gitarrensolo und umgekehrt. Hier zeigen Deep Purple zum ersten Mal so richtig, wie viel Energie nach all den Jahren noch in dieser Kombo steckt und wie viel Spaß Musik auch dann noch machen kann, wenn sie auch in dem wie sie klingt inklusive der Protagonisten nicht aus diesem Jahrtausend stammt. Die Bewertung des Albums als abwechslungsreiches und kreatives Werk soll keineswegs einzig und allein auf das Alter der Band anspielen, sondern viel mehr betonen, wie gut der Ansatz funktionieren kann, auf all das, was im heutigen Zeitalter um- und eingesetzt wird, einfach keine Lust zu haben. "=1" ist eine Zusammenstellung von Songs, die teilweise und auch im Bezug auf das Gesamtniveau unterschiedlicher nicht ausfallen könnten. Was alle eint, wenn man die ersten Minuten des Albums etwas außen vor lässt, ist ein sehr großer Spaßfaktor und ein Leckerbissen für all diejenigen, die sich gerne von ausufernden Gitarrensoli und einem Hauch Vergangenheit berieseln lassen.
Wertung
Auch ich gebe zu, bei jeder Veröffentlichung einer Band wie Deep Purple erst einmal wieder überrascht zu sein. Kurze Recherche: Gibt's noch, gute Sache! Auch "=1" hat eine Daseinsberechtigung, die zu untermauern ist. Und auch wenn ich einen oder zwei Anläufe brauchte, taugt das Album doch zu mehr als einem Durchlauf, um mir noch einmal vor Augen zu führen, wie gut diese Zeit doch gewesen sein muss, als die Rockwelt zu allergrößten Teilen aus Deep Purple und Co. bestand.
Mark Schneider
Mark kommt aus der wunderschönen, ländlichen Provinz zwischen Siegen und Marburg an der Lahn. Ob kleine Acts im Club oder Musikgiganten vor Tausenden: Besucht wird, was laut ist und Spaß macht! Dabei sind im Genre (fast) keine Grenzen gesetzt.