ELL und "Langweilig": Unpassender Titel
17.02.2025 | Dave Mante
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Seit einiger Zeit liest man den Namen ELL auf einigen Line-ups, als Support für Kind Kaputt, dem Lumpenpack oder der Kochkraft oder man stolpert auf Social Media über einen Front gegen alte weiße Männer. ELL polarisieren also in einigen Hörer*innen-Kreisen. Aber machen sie auch gute Musik, auf ihrem Debüt „Langweilig“? Kurze Antwort, ja, absolut.
ELL machen „Krachpop“ und finde diese Beschreibung so gut, dass ich sie wohl in meinen allgemeinen musikalischen Sprachgebrauch aufnehmen werde. Wir haben im Kern ein teilweise punk-rockiges, aber auch indie-Rockiges, manchmal popiges Stück Musik vor uns, welches mit dröhnenden Bässen auch gern mal in leicht metallene Klänge abdriftet. Aber beginnen wir von vorn. Schon in dem ersten Muster (das leider generell nicht so die beste Hörqualität aufweisen konnte), welches mich erreichte, klang der Introtrack „Lauf Los“ ziemlich gut. Es ist immer wieder erfrischend, wenn sich Bands Zeit nehmen, in ihr Album einzuführen und einen ersten Song langsam aufzubauen. Dieser ist genau das. Strophe um Strophe kommen mehr Elemente dazu und irgendwann endet das in einer lauten Hymne, für das über den Schatten springen und hinter sich lassen. Kurz danach folgt mit „Salzstreuerin“ wohl der polarisierenste und auch beste Song des Albums. In nicht mal 140 Sekunden wird mit ewig engstirnigen Mackern abgerechnet, denen man endlich mal ungeschönt sagen sollte, dass sie eigentlich nur eines können, nämlich Mist labern. Ich hoffe, dass Thomas Gotschalk manchmal Albträume von dem Song hat.
Ich kann leider nicht alle Songs ansprechen, da der Text dann wirklich zu lang wird, daher bleibt es bei den sehr herausstechenden. „Deal“ beweist dabei eindrucksvoll, wie abwechslungsreich ELL sein können. Während das Instrumental sehr ähnlich zum Rest klingt, was bei einer Zweimenschband aber auch schwer anders zu bewerkstelligen ist, ist der Gesang hier gravierend anders. Viel gesprochen, sehr aggressiv und kurz, ohne unnötig pompösen Schlusspunkt, einfach so zu Ende. Es folgt „Mein Körper, meine Entscheidung“. Wieder so ein viraler Song. Der Titel sagt dabei sofort, worum es geht. Der Song startet langsam und nimmt dann sehr schnell an Fahrt auf und wird schnurstracks zu einer feministischen Punkrock-Hymne. Gefällt sehr. „Langweilig“, der Titeltrack ist der klassische Singalong-Song, den ihr sicher kennt, wenn ihr schon mal auf einem Konzert der beiden wart. Das Album endet mit „Federleicht“ einem sehr sphärischen, poppigen Track, bei dem ich leichte Phoebe Bridgers in laut – Vibes bekomme.
Ich finde es unfassbar schwierig, Debüts zu bewerten. Einerseits sollte man mit einem Ohr verzeihend zuhören, zumindest wenn es sich um neue Musiker*innen handelt. Dann höre ich jedoch etwas wie „Langweilig“ von ELL und denke mir, „Warum eigentlich?“. Ohne zu wissen, wie lange die beiden Musik machen, finde ich es unsagbar beeindruckend, wie die beiden aus dem Stand ein durchweg stimmiges, stark kritisches und trotzdem sehr massentaugliches Album produzieren. „Langweilig“ ist jetzt schon ein Jahreshighlight.
Wertung
ELL machen auf „Langweilig“ dermaßen guten Krachpop, dass die Platte beim ersten Hören doppelt durchlief, ohne dass ich es wirklich bemerkt habe. So sehr habe ich die recht kurze Laufzeit genossen. Songs wie „Salzstreuerin“ kennen eh genug Leute, dass das Duo diese Qualität jedoch in solch einem Maße halten kann, hab ich absolut nicht erwartet. Ich hoffe, da kommt ganz bald mehr!
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Dave Mante
Aufgewachsen zwischen Rosenstolz und den Beatles hört sich Dave mittlerweile durch die halbe Musikwelt, egal ob brettharter Hardcore, rotziger Deutschpunk, emotionaler Indie oder ungewöhnlicher Hip Hop, irgendwas findet sich immer in seinen Playlisten. Nebenbei studiert er Kunstgeschichte, schlägt sich die Nächte als Barkeeper um die Ohren oder verflucht Lightroom, wenn er das gerade fotografierte Konzert aufarbeitet.