FLOMB! und „Frank bleibt Frank“: Kreativitätsausbruch im Punk-Home-Office
13.09.2024 | Frank Diedrichs
Die Ärzte („Ist das noch Punkrock“), Adam Angst („Punk“) und ZSK („Punkverrat“) setzen sich in ihren Liedern mit der Frage auseinander, was Punk in unserer Zeit überhaupt noch sei und ob es so etwas wie einen Verrat an der Szene gibt. Mit all diesen Szene-Fragen hat Frank Ludes aka FLOMB! (Frank Ludes One Man Band!) nichts im Sinn. Sein Leitstern bei der Entstehung seiner Solo-Alben war der ursprüngliche DIY-Gedanke, der Punk in den frühen Jahren prägte, auch wenn er sich zu Beginn durch die Pandemie dazu gezwungen sah. Während des Schreibprozesses an den Songs baute er ein Aufnahmestudio inklusive Gesangskabine auf. Wie beim Vorgänger nahm er auch bei „Frank bleibt Frank“ alle Instrumentalspuren, mit der Ausnahme des Gitarrensolos in „War nicht so geplant ist so passiert“ (Phil from Hell – 4 Meter Hustensaft), selbstständig auf und bastelte alle Videos am heimischen PC zusammen – mehr DIY geht nicht.
Im Opener „Die Totale anvisiert“ thematisiert Frank Ludes genau diese Situation, in der er auf eigenen Füßen stehend seine musikalische Kreativität ohne äußere Einflussnahme umsetzen kann. Die weiteren Songs auf „Frank bleibt Frank“ drehen sich auch selbstreflektierend um Vergangenheit und Gegenwart, besonders deutlich formuliert in „Viel Schmuddel wenig Glanz“ oder in „Irgendwann mal ist das hier ewig lange her“. „Bis zum nächsten Tag“, welches das Album schließt, entlässt die Hörenden dann doch eher melancholisch und dem eindringlichen Hinweis, nicht zu warten mit dem, was wir lieben Menschen sagen wollen. Einzig „Das nächste Schiff“ richtet den Blick aufgrund bestehender Verhältnisse nach vorne und schafft ein Gefühl von Fernweh, welches beim Schreiber zuletzt das Album „Ahoi“ von Rantanplan auslöste. Dieser Song ist der einzige des Albums, dessen Text nicht von Ludes stammt, sondern vom Hamburger Singer-/Songwriter Simon Schiefer.
Das Album besticht auf zwei Ebenen. Vorweg: Die Instrumente hat FLOMB! selbstständig eingespielt und gemischt. Dabei kamen, neben den punktypischen Instrumenten in Form verzerrter Gitarren auch E-Drums oder die Ukulele zum Einsatz. Somit hat Frank Ludes musikalisch vielfältige Songs entwickelt, deren Grundgerüst immer Punkrock bildet, dieser wird aber durch andere Elemente unterstützt. „Der Typ den man Caddy nennt“ ist ein Blues-Punk-Song, bei dem das Gefühl entsteht, die Rolling Stones hätten einen Punk-Song geschrieben. Das Canal Terror-Cover „Saufbauch“ wird auf der Ukulele gespielt und bekommt dadurch einen Anarcho-Ton Steine Scherben-Hauch, während sich in „War so nicht geplant ist so passiert“ Ludes und Stemmen von Notgemeinschaft Peter Pan so dermaßen hardcoremäßig nach vorne peitschen, dass mensch beim Hören außer Atem gerät. Einen Hauch Pop Punk ist aus „Bitte gehen Sie weiter“ herauszuhören.
Die zweite Stärke des Albums liegt in der Unterstützung durch einzelne Gastmusiker:innen. Es entsteht der Eindruck, Frank Ludes hätte gezielt für einzelne Songs Sänger:innen angesprochen, so perfekt passen sie zu den Songs, die sie unterstützen. Alex Pascow gibt mit seinem charakteristischen Gesang dem Lied „Da draußen“ die Schärfe, die Gegensätze erzeugen. Das Duett mit Stemmen wurde bereits angesprochen, aber auch Bärbel Rotzky von Eisenpimmel ist als gesangliche Unterstützung in „Bitte gehen Sie weiter“ die stimmige (sic!) Besetzung. Mit Olli Bockmist (B.O.A.) bei „Johnny B Scheuert“, Andre Sinner („Das nächste Schiff“) und Georg (Nonstop Stereo) bei „Friss oder Stirb“ unterstützen drei weitere bekannte Menschen aus der Punkszene Songs mit ihrem Gesang.
Beim Anblick des Albumcovers wird mensch sofort an das Cover der Kotzreiz-Scheibe „Punk bleibt Punk“ erinnert. Ludes durfte das Cover für sich umsetzen und setzt, bevor überhaupt ein Ton den Lautsprecher verlassen hat, ein Statement. Er lässt sich nicht verbiegen, bleibt er selbst: Ein musikalisch-kreativer DIY-Punk, der hoffentlich bald auch mit Nonstop Stereo neue Musik herausbringen wird.
Wertung
So muss Punkrock klingen! Frank Ludes aka Flomb! zaubert in seinem Home Studio ein DIY-Album hervor, welches schlichtweg PUNKROCK ist. Rotzig, laut und treibend und mit nur scheinbar oberflächlich wirkenden Texten, in denen er schonungslos selbstreflektierend ist. Das Aufgebot an Gastsänger:innen verleiht jedem Song nicht nur gesanglich, sondern auch musikalisch eine individuelle Note, die bei jeder Rotation auf dem Plattenteller das Album noch stärker erscheinen lässt. Anspieltipps: "Kaum Glanz viel Schmuddel", "Das nächste Schiff", "Johnny B Scheuert"
Frank Diedrichs
Frank lebt seit über zwanzig Jahren in der Mitte Niedersachsens und unterrichtet Kinder und Jugendliche an einer Oberschule. Nach seiner musikalischen Erstprägung durch die Toten Hosen und Abstürzenden Brieftauben erweiterte er seine Hörgewohnheiten: Folkpunk, Singer-/Songwriter, Blues, Deutschpunk, US-/UK-Punk. Dabei kommt von Johnny Cash über The Beatles und Pascow bis hin zu Marvin Gaye eine Menge Vielfalt aus den Boxen, am liebsten als Vinyl.