Fynn Kliemann und „Nie“: Spielereien des Heimwerkers
01.10.2018 | Lara Teschers
Fynn Kliemann ist nicht nur YouTuber, „Heimwerkerking“ und Erbauer des Kliemannslandes, sondern auch noch Musiker. Ja, der 28-Jährige hat ganz schön was drauf. Seine musikalische Seite lebte er bis jetzt auf seinem YouTube-Kanal „Fynn Kliemann Musik“ aus. Das tut er natürlich immer noch, aber nun gibt es auch ein richtiges Album. „Nie“ heißt es. Zu hören ist Singer-Songwriter-Pop mit deutschen Texten. Die erste Hörprobe bekamen seine Fans bereits im Juni, als er „Morgen“ im Netz veröffentlichte.
Die erste Single ist auch direkt der Opener des Albums. Fröhliche Anschläge, dazu eine rauchige, staubige Stimme und ein unruhiger Rhythmus im Hintergrund. Plötzlich ein Schlag und ein Ausschnitt aus der Morgenstimmung von Edvard Grieg. Dann geht es auch schon unbeirrt weiter und endet schließlich mit einer eingängigen Instrumentalpassage.
Auf „Morgen“ folgt „Bis Seattle“. Es beginnt mit einer Soundcollage, der Refrain besteht hauptsächlich aus dem Textschnipsel „Schlaflos bis Seattle“, der Song hat aber mit dem Tom-Hanks-Film ansonsten nichts zu tun. Und so geht es dann weiter. Texte, die schnell hängen bleiben und eine markante Stimme, die nicht so glatt poliert klingt wie die der Mark Fosters und Wincent Weiss‘ dieser Welt. Einige Spielereien gibt es auch, davon eine zum Beispiel in „Jede Wette“: Zuerst erklingt ein Freizeichen, es folgt eine Mailboxansage, der Song und schließlich das Tuten zum Ende der aufgesprochenen (bzw. aufgesungenen) Nachricht.
Es muss aber nicht immer so hektisch sein, wie das Album in den ersten Songs klingt. „Zuhause“ ist eine 1A-Ballade mit schnulzigem Text und „uhh“, sowie „mhh“-Hintergrundgesängen.
Mit „Nie“ hat Fynn Kliemann definitiv ein ordentliches Debüt abgeliefert. Doch trotz markanter Stimme muss man nach einem Alleinstellungsmerkmal, nach dem Besonderen noch suchen. Deutsche Singer-Songwriter gibt es schließlich wie Sand am Meer. „Nie“ klingt aber dafür ehrlicher, weniger auf Erfolg und Profit gebürstet als die Platten vieler Radio-Herzschmerz-Sänger. Und das klingt nicht nur so, sondern ist wirklich so: Es werden genau so viele Tonträger produziert, wie bestellt werden. Das Album ist absichtlich nicht bei der GfK angemeldet, welche die Verkaufscharts ermittelt. Denn das kostet schließlich auch und die Kosten konnten somit in die Platte fließen. Einen Hinweis auf Fynns Heimwerkerleben gibt es außerdem auch noch: Und zwar direkt auf dem Cover. Ein Pott Farbe, der umgefüllt wird, daneben dreckige Vans und Pflanzen. Ob das Bild wohl im Kliemannsland entstanden ist?
Wertung
Eine nette Scheibe, die man mal so nebenbei laufen lassen kann oder der man zu ruhiger Stunde genüsslich lauschen kann. Aber mir fehlt einfach das gewisse Etwas. Vielleicht habe ich auch zu viel erwartet. Ich dachte, Fynn Kliemann ist doch noch ein bisschen mehr „anders“ als seine Musikerkollegen.
Wertung
Einen kreativeren und eigensinnigeren Entwicklungsprozess eines Albums gab es bisher – zumindest in meiner Filterblase – nicht. Rausgekommen ist ein intelligentes und zerbrechliches Werk, das zwar im Pool des deutschen Singer-Songwriter-Sumpfes einzuordnen ist, aber fernab der stinkeden Egalität endlichen wieder frischen, einfallsreichen Wind in die Szene weht.
Lara Teschers
Aus dem Ruhrgebiet zog es Lara zum Studium des Musikjournalismus nach Karlsruhe. Ihre Lieblingsmusik hört sie am liebsten live auf Konzerten und Festivals oder zu Hause auf dem alten Plattenspieler. Dabei sind ihr Unterteilungen in Genres weniger wichtig, als dass die Musik einfach gefällt. Der Geschmack reicht von Sum 41 über Nirvana bis hin zu Ed Sheeran oder Kraftklub.