Kopfecho und "Zusammen allein": Tanzbar und tiefsinnig
05.08.2024 | Mark Schneider
Es ist kaum zu glauben, was seit dem letzten Album der Band Kopfecho alles in der Welt und auch in den Reihen der Band passiert ist. "Etwas bleibt" erschien im Jahr 2020. Daraufhin ging es für die Düsseldorfer auf die erste eigene Headliner-Tour durch Deutschland. Dann grätschte ihnen die Corona-Pandemie dazwischen. Es folgte die Absage des zweiten Teils der Tour. Feierabend. Nicht nur für Kopfecho und ihre Tour, sondern in ganz vielen Bereichen des Lebens ging bekanntermaßen zumindest zwischenzeitlich nichts mehr so wie man es von "davor" noch kannte. Das alles ist unglaublicherweise über vier Jahre her, und seitdem hat sich auch bei Kopfecho selbst einiges getan. Dan und Ivo verließen im Jahr 2022 aus persönlichen Gründen die Band, Henri von Wolkahof (Gitarre, Gesang) und Marco Gellissen (Schlagzeug) rückten nach und vervollständigten das Quintett um nun, weitere zwei Jahre später, endlich das neue Album "Zusammen Allein" zu veröffentlichen.
Musikalisch ist der Band aus dem Hause Massendefekt (MD Records) der Hang zum Punkrock nicht abzusprechen. Allerdings präsentieren Kopfecho in ihrer Musik im Jahr 2024 deutlich mehr als nur die berühmten drei Akkorde oder die oft damit in Verbindung gebrachten stumpfen Lyrics über das Dagegensein oder Lobeshymnen auf alkoholische Kaltgetränke. Dieser Punkrock hier gehört zur durchdachten, facettenreichen Sorte, die es sich lohnt näher anzuhören. Dennoch ist der Stil der Band nicht ganz einfach einzuordnen. In der einen Sekunde erinnert der Sound beispielsweise an Radio Havanna (ganz extrem im Featureteil der Band Planlos), in der nächsten an Drei Meter Feldweg, je nachdem wie Amy den Gesang in die Stücke integriert, lodert sogar kurzzeitig der Gedanke auf, es sei Lulu selbst, die sich auf das neue Album der Düsseldorfer verirrt hat. Mal rau, mal gefühlvoll, hier steckt vieles drin! Das sind drei Beispiele von sehr vielen möglichen, um die Variabilität und Tiefe des Albums an markanten Punkten und bekannten Vergleichen festzumachen.
Wie es sich als Band anfühlen muss, nach der Pandemie endlich wieder aus dem im Titel besungenen "Käfig" rauszukommen, verdeutlicht "Der Regen ist vorbei". Die Zeilen "Tickets von 2020 warten im Kleiderschrank" oder "Endlich wieder live! Endlich wieder raus!" sprechen wohl jeder Person aus der Seele, die nach Lockdowns und Quarantänen endlich wieder auf Festivals und Konzerte schlendern durfte. "Zusammen Allein" als gesamtes Album ist aber vor allem persönlich, gefühlvoll, nachdenklich (machend).
"Zusammen Allein" heißt auch der namensgebende Titeltrack, der die Ausrichtung der Platte schnell klar macht: Kopfecho sind tanzbar. Und auch wenn die Lyrics inhaltlich nicht ganz so locker und leicht sind wie die Musik an sich, steht der Start ins Album doch stellvertretend für die beiden Pfeiler Tanzbarkeit und Tiefsinnigkeit der Texte. So behandelt zum Beispiel "Stille" das zu frühe Abschied nehmen von einem geliebten Menschen, "Echte Männer" die Rollenklischees im Bezug auf das männliche Geschlecht ("Du schluckst die Tränen runter, nur so zum Schein, denn man hat dir gesagt dass echte Männer niemals weinen") oder "HDMDF" (Halt doch Mal die Fresse) teilt gegen all diejenigen aus, die mehr als fragwürdige Aussagen aufgrund von gekränkten Egos von sich geben ("Ich lass mir das nicht verbieten! Will endlich wieder nach Malle fliegen!"), weil hierzulande natürlich nur Lügen regieren. Wer kennt sie nicht...
Die Kost, die Kopfecho servieren, ist zu erwähnenswerten Teilen wirklich keine leichte. Dagegen stehen aber auch eine Hand voll gut gelaunter Titel wie "Supersoaker", der zum Beispiel die Hörerschaft noch einmal zurückkatapultiert in die Zeit von ICQ, Jackass und Pimp My Ride. Die Kombination aus wirklich emotionalen sowie persönlichen Themen, der Freude darüber endlich wieder uneingeschränkt Musik machen und auch performen zu dürfen und dem musikalischen Aspekt in ganzer Breite funktioniert jedoch tadellos.
Wertung
Kopfecho machen auf diesem Album wirklich viel richtig. Textliche Tiefe trifft auf musikalische Finesse. Wenn man, so wie ich, mit ICQ aufgewachsen ist und den einen oder anderen besungen, emotionalen Moment aus dem eigenen Leben kennt, findet man sich an so vierlen Stellen des Albums wieder. Es muss auch echt nicht immer nur Antihaltung und Sauferei sein. Danke dafür!
Mark Schneider
Mark kommt aus der wunderschönen, ländlichen Provinz zwischen Siegen und Marburg an der Lahn. Ob kleine Acts im Club oder Musikgiganten vor Tausenden: Besucht wird, was laut ist und Spaß macht! Dabei sind im Genre (fast) keine Grenzen gesetzt.