Leto und "Leben und tot": Die raue Seele
30.11.2023 | Dave Mante
Leto klingen so, wie man sich eine Post-Punk-Band aus Hamburg vorstellt. Damit wäre erst mal geklärt, wie sich das Album anhört, eben wie die anderen Alben der Gruppe es auch taten. In den rauen und teils schrill-kratzigen Gesang werden immer mal wieder Texte eingespeist, die Turbostaat so auch nicht skurriler schreiben könnten und nebenbei wird so laut geschrien, dass Lygo auch nicht mehr wissen, was los ist.
Dabei sind Leto nicht aufzuhalten, denn schon „Süchtig nach allem“ ist eine absolute Hymne, welche sich direkt wieder ins Ohr frisst. Dabei ist die Abstinenz der Schmirgelpapiervocals nicht mal schlimm oder auffällig, denn Leto spielen ihre melodische Seite hier vollkommen aus. Außerdem gibt es ja direkt danach mit „Der tote Baron“ das absolute Highlight des Albums. Während hier textlich natürlich auf den roten Doppeldecker im Zweiten Weltkrieg angespielt wird, hat dieser Song auch zwei Ebenen, die ruhige, fast gesprochene Seite und dann das herzhaft gebrüllte „IMMER WEITER, IMMER WEITER[...]“, worauf ein melodisches Skandieren des Titels folgt. Hier und da noch ein paar feine Zwischenspiele. „Leben und tot“ bleibt dann bis zum Ende genau so. Oft eingeworfene Stilelemente auf das Grundkonstrukt des melodiösen Post-Punks. Leto schaffen es dabei oft vor allem in den Refrains zu punkten. Hier sei auch sehr der von „31 Fehler“ hervorzuheben, welcher mit seiner Abwechslung der Stimmen und dem schnellen, fast dissonanten Kontrast zur Melodie überzeugt.
Generell fahren Leto ihre raue Seite, welche zuletzt auf „Wider“ sehr passend zur Raufasertapete auf dem Cover sehr dominant war, etwas herunter und streuen sie lieber während melodiösem Gesang oder den Refrains ein. Das kann nun gefunden werden, wie man es selbst am liebsten mag. Generell tut es diesem Album aber eventuell sogar ganz gut, denn die stark melancholischen Texte geben es her, dass Emotionen mit einem gewissen Gefühl rübergebracht und nicht heiser ins Mikro gebrüllt werden. Wo sich Leto jedoch nicht verändern ist das Instrumental im Generellen. Immer noch waltet hier sehr düsteres, teilweise geordnet chaotisches Gitarrenspiel, welches so nicht oft zu hören ist. Das lässt sich ehrlich gesagt schwer beschreiben und muss daher selbst gehört werden!
Eingangs erwähnte ich die Nähe zu Bands wie Turbostaat und Lygo, es sollte allerdings gesagt werden, dass beide Bands nur als eine Art Einordnung dienen sollen. Leto lassen sich kaum mit etwas direkt vergleichen. Das Zusammenspiel der Elemente auf ihren Alben ist sehr eigen und auch auf „Leben und tot“ stecken sie wieder einen weiten Bereich ab, welchen so kaum jemand abstecken kann. Sie treffen erneut in eine Kerbe, welche schrilles, teilweise dissonantes Instrumental und kluge emotionale Lyrics / Vocals vereint und somit erneut eine durchaus interessante Post-Punk-Platte serviert. Im Großen und Ganzen fehlen etwas die rauen Ausfälle wie auf „Der tote Baron“, aber das ist nur ein kleines Manko.
Wertung
Auf „Leben und tot“ zeigen Leto eine etwas melodischere Seite ihrer selbst, was sie aber keineswegs davon abhält, weiterhin sehr eigen zu sein. Zwar gibt es dutzende Post-Punk Bands, vor allem aus Hamburg, aber Leto stechen leicht heraus, wenn sie wieder so wunderbar und rau singen und darauf ein gar großartig düsteres Gitarrenspiel bieten. „Leben und tot“ braucht etwas, bis es wirklich aus sich rauskommt, aber wenn es das tut, dann so richtig!
Dave Mante
Aufgewachsen zwischen Rosenstolz und den Beatles hört sich Dave mittlerweile durch die halbe Musikwelt, egal ob brettharter Hardcore, rotziger Deutschpunk, emotionaler Indie oder ungewöhnlicher Hip Hop, irgendwas findet sich immer in seinen Playlisten. Nebenbei studiert er Kunstgeschichte, schlägt sich die Nächte als Barkeeper um die Ohren oder verflucht Lightroom, wenn er das gerade fotografierte Konzert aufarbeitet.