Nails und "Every Bridge Burning": Haste mal 17 Minuten und 47 Sekunden?
01.09.2024 | Dave Mante
Wenn fast zwanzig Prozent deiner Album-Runtime im letzten Song stecken, dann läuft wohl gerade ein Album des Hardcore- oder Powerviolence-Genres. Die Band Nails steht nun seit knapp 17 Jahren genau dafür, kurze Alben, äußerst laut und gewaltvoll präsentiert. Nach acht Jahren der Stille erscheint mit "Every Bridge Burning" die nächste gewaltvolle Tirade und beeindruckt noch immer mit der schieren Lawine aus Lautstärke und Brutalität.
Es ist etwas schwierig über einzelne Teile des Albums zu sprechen, denn vor allem im ersten Teil gehen die Songs fast nahtlos ineinander über. Im Kern wirkt alles wie ein einzelnes Konstrukt der Boshaftigkeit, voller brutaler Blastbeats, geballerten Saitenanschlägen und gnadenlos gebrüllten Vocals. Immer wieder sorgen Nails für neue Stilmittel wie verzogene Gitarren und ziemlich fiese, böse Breakdowns. Das erste Highlight ist dabei „Give Me Painkiller“. Der Song ist der bisher längste und hat nicht nur einen im Mittelteil verankerten, kurzen Breakdown, der hart schallert, sondern darauf ein fast komödiantisch überzogenes Gitarrensolo, welches Iron Maiden nicht besser hätten schreiben können. Im Großen und Ganzen klingt bis hier aber alles sehr gleich. Mit dem folgenden „Lacking The Ability To Process Empathy“ ändern sich Dynamik und genereller Aufbau dann sehr vom Powerviolence zum klassischen Hardcore, was sich ohne viel Hörerfahrung bemerkbar macht. Weniger Tempo und mehr Zeit, um Körperteile um sich zu werfen. (Ja, kann man beim Powerviolence auch, aber nicht so leicht im Takt). Dieser Bruch wird mit dem folgenden „Trapped“ innerhalb von 38 Sekunden direkt wieder verworfen und die Band geht zurück zum Tempo. Ab hier wirkt es dann auch wieder wie aus einem Guss.
Habt ihr geblinzelt? Dann habt ihr wohl das halbe Album verpasst. „Every Bridge Burning“ ist eine kurze und knackige Tirade der Lautstärke, wenige Brüche im Album sorgen für das Gefühl verschiedene Songs zu hören und nach 17 Minuten und 47 Sekunden ist der Fiebertraum vorbei und ich als Fan dieser Musik bin rundum zufrieden. Natürlich ist das alles überhaupt nichts für jeden und trotz der Popularität der Band ziemlich nischig. Das hier ist halt in großen Teilen kein Hardcore, sondern noch viel schneller und härter. Wenn ihr mal wieder etwas zu viel Ohrenschmalz im Gehörgang habt, könnt ihr es euch mit Nails gepflegt raus pusten lassen und für diese 17 Minuten und 47 Sekunden wirkt auch die fehlende Abwechslung nicht wirklich negativ.
Wertung
Nails machen auch acht Jahre später immer noch Musik für ein spezielles und ausgewähltes Publikum. Zuerst hört es sich nach einem breiigen Chaos aus schneller, brutaler Musik und bösen Vocals an. Am Ende löst sich für Fans nur das Chaos auf. Hier und da werden Elemente eingepflegt, die etwas für Abwechslung sorgen und dass diese in großen Teilen fehlt, würde ich kritisieren, wenn das Album nicht kürzer wäre, als eine Folge der Simpsons.
Dave Mante
Aufgewachsen zwischen Rosenstolz und den Beatles hört sich Dave mittlerweile durch die halbe Musikwelt, egal ob brettharter Hardcore, rotziger Deutschpunk, emotionaler Indie oder ungewöhnlicher Hip Hop, irgendwas findet sich immer in seinen Playlisten. Nebenbei studiert er Kunstgeschichte, schlägt sich die Nächte als Barkeeper um die Ohren oder verflucht Lightroom, wenn er das gerade fotografierte Konzert aufarbeitet.