The National und "First Two Pages Of Frankenstein": Ruhe
06.05.2023 | Jan-Severin Irsch
"Eucalyptus" beschreibt eine Szene des Abschieds. Ein Haushalt, eine Liebe wird aufgelöst und die letzten Gegenstände werden untereinander aufgeteilt. Auch wenn der Songtitel erstmal ein Schmunzeln auf die Lippen zaubert, so ist der Text doch trauriger Natur, durch den gesungenen Dialog. Zwischen all dem Verteilen kommt die Frage hoch: "What if we move back to New York?" Der kleine Funke Hoffnung schimmert durch um dann überhört zu werden. Musikalisch ist dieser Song trotz üppigen Drums und dynamischer Steigerung am Ende durchgehend von einer unterlegenen Ruhe gezeichnet. Dafür wurden Schlagzeug und Bass sehr in den Hintergrund geschoben um so der Geschichte Raum zum atmen zu geben und sie doch stetig in Intensität zu steigern.
The National scheinen diese Formel perfektioniert zu haben. Die Drums bleiben stets so, dass sie dem Rest der Instrumente das Spotlight überlassen. Während Pads den nötigen Teppich erzeugen, spielen die Gitarren ruhige Arpeggien und Sänger Matt Berninger mit seiner ruhigen, nachdenklichen Stimme rundet die Formel perfekt ab. Würde man Schlagzeug und Bass nur etwas mehr in den Vordergrund rücken und Berninger in die höheren Oktaven voll Leidenschaft einsteigen hätte diese Platte einen starken Rock Charakter. Doch die bewusste Entscheidung es nicht zu tun scheint sie für die breite Masse empfänglich zu machen, ohne dass sie an Qualität verliert.
Neben den fünf Herren gesellen sich auch Phoebe Bridgers, Sufjan Stevens und Taylor Swift dazu. Letztere überzeugt im Song "The Alcott" mit ihrem ausgeglichenen Gesangsanteil und Hintergrundgesang. Ein wirklich tolles, gleichberechtigtes Duett. Swift ist bekannt für ihre Pop-Party Hit Songs und Shows, doch ähnlich wie auf dem vorangegangenen Duett "coney island" ihres Albums "evermore" ist es die gleichbleibende unterliegende Ruhe, die diesen Song so schön macht.
"Grease in your Hair" ist ein spannender Song, wenn man sich auf die Suche nach Details macht. Im ersten Pre-Chorus hört man an einigen stellen sehr zarten Backgroundgesang, der in der zweiten Strophe bereits als Konstante dabei ist und die sonst fehlende Höhe dezent ergänzt.
Wertung
The National beweisen, dass es nicht immer enormer treibender Energie bedarf, um ein erfolgreiches Album zu komponieren. Die nachdenklichen amerikanischen Väter machen alles mit Bedacht und auf ihre eigene schöne Weise.
Jan-Severin Irsch
Jan-Severin macht seit er denken kann Musik. Durch verschiedene Chöre, Bands und Lehrer ist er mittlerweile Lehramtsstudent für Musik mit Hauptfach Gesang, ist Sänger seiner eigenen Alternative/Punkrock-Band und Teil eines Barbershop-Chores in Köln. Von Klassik bis Jazz, von Chor- bis Punkrockmusik hört und spielt er alles gern. Ohne Musik geht nicht.