Retro Review: Ist DAS für mich die beste Metalcore-Band?
05.12.2024 | Mark Schneider
Manchmal braucht es wohl nur ein persönliches Gespräch mit einem Redaktionskollegen in einer Gastwirtschaft, um beinahe vergessen geglaubte Musik wieder aus der Schublade zu holen. Solch ein Gespräch trug sich kürzlich mit Marco in meiner Heimat zu. Und wenn wir ganz ehrlich sind, geht es standesgemäß bei diesem Austausch mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit um Musik. "Kennst du das schon?", "Wollen wir da nicht mal hin?", "Ich muss dir unbedingt noch was zeigen!", sowas halt. Manchmal krame ich in meinem Plattenregal herum und zaubere noch nicht zwischen uns besprochenen Oi-Punk aus dem Hut, mal legen wir die längst untereinander abgestimmten Klassiker auf. Dieses Mal landeten wir thematisch irgendwann bei der amerikanischen, christlichen Metalcore-Band Haste The Day, die an anderer Stelle in unserer Redaktion bereits Erwähnung gefunden hat und, so viel sei verraten, auf wenig Gegenliebe gestoßen ist.
Dass es sich bei Haste The Day um eine christliche Band handelt, spielte für mich noch nie eine beeinflussende Rolle. Ich habe die Band weder aufgrund dieser Tatsache kennengelernt, noch spiegelt sich dieser Fakt offensichtlich hörbar in den Texten der Band wieder (eine auf der Deluxe-Version von "Attack Of The Wolf King" befindliche Ansage lassen wir dabei außen vor). Ich möchte betonen, dass ich auf englisch zitierte Bibelverse zum Beispiel nicht erkennen würde und meine Aussage daher sehr oberflächlich zu bewerten ist. Wie der Zufall es manchmal so will, haben die Jungs aus Indiana vor Kurzem eine neue Single mit dem Titel "Burn" veröffentlicht. Das finde ich heraus, als ich gerade darüber nachdenke, mit welchem Track ich Marco jetzt von der wahrhaftig großartigen Musik dieser Band überzeugen kann. Ich nehm die Pointe vorweg: Ich habe ihn damit nicht umhauen können. ABER mich selbst habe ich umso mehr wieder begeistern können. Für Metalcore. Für Haste The Day. Für "Attack Of The Wolf King".
"Attack Of The Wolf King" steht mit dem Zeitpunkt seiner Veröffentlichung am Ende der ersten Schaffenszeit von Haste The Day, welche von 2001 bis zum Jahr 2010 dauerte. In diesem Jahr 2010 erschien mit "Concercing The Way It Was" nur fünf Monate später zwar noch ein Album, welches alle Songs der ersten drei Alben von Haste The Day enthält, doch bis zum Comeback-Album "Coward" im Jahr 2015 war es anschließend ruhig um die Band. Meine Bindung zu "Attack Of The Wolf King" ist wohl deswegen so groß, da es das erste mir zugesteckte Album der Gruppe ist. Starte ich heute den Opener "Wake Up The Sun", weiß ich noch ganz genau was mich im musikalischen Sinne in der damaligen Zeit so (rum)getrieben hat und warum ich dieses Album wirklich vom ersten Moment an so gut fand: Haste The Day lassen bereits in den ersten Sekunden raushängen, was den Sound der Band definiert. Es finden verspielte und gekonnte Gitarrenriffs genauso Platz wie ein straighter Weg hin zum ersten Refrain, der die mir so gut bei Haste The Day gefallende Kombination aus Geschrei und sauberem Gesang demonstriert. Mir ist vollkommen bewusst, dass wir hier gerade im Metalcore keineswegs über ein Alleinstellungsmerkmal sprechen, aber ist es nicht doch ganz schön, wenn die Protagonisten zumindest "singen" können beziehungsweise beide Parts stimmlich einfach zueinander passend klingen? Auch wenn das wie so oft subjektiv zu betrachten ist, geht der erste Titel so von mir definiert nahtlos in "Dog Like Vultures" über, in dem Haste The Day ihren Opener bestätigen und zweifellos aufzeigen wohin die Reise auf diesem Album geht.
Haste The Day leben für mich von den Melodien ihrer Refrains. Habe ich mich mal wieder intensiv einem Album der Band gewidmet (das häuft sich aktuell), erwische ich mich oft Stunden später noch dabei, wie die gesungenen Texte in meinem Kopf ihre Runden drehen. Hier ist "Attack Of The Wolf King" wahrlich keine Ausnahme. Wo andere den einen Breakdown zu viel beklagen oder "Metalcore ist doch immer das gleiche!" rufen, freue ich mich wie in "The Quiet, Deadly Ticking" in diesem Moment bereits innerlich auf das folgende, überleitende Gitarrenspiel und den von mir bereits hundert Mal gehörten Refrain. "White As Snow" nimmt als zu erwähnendes Gegenbeispiel deutlich den Fuß vom Gas, kommt jedoch auch nicht gänzlich ohne Breakdown aus. "Travesty" (oben im Artikel verlinkt) und "Merit for Sadness" möchte ich als absolute Anspieltipps mit auf den Weg geben.
Ich habe viel Zeit mit vielen verschiedenen Bands dieses Genres verbracht, bevor sich meine Wege in andere Richtungen entwickelten. Die Begeisterung für Metalcore, die Haste The Day mit nahezu allen ihren Platten nach dem Wiederauflodern des Feuers (passendes Wortspiel zur neuen Single "Burn") aktuell bei mir auslösen, steht ihnen von mir persönlich im Moment jedoch exklusiv zu.
Mark Schneider
Mark kommt aus der wunderschönen, ländlichen Provinz zwischen Siegen und Marburg an der Lahn. Ob kleine Acts im Club oder Musikgiganten vor Tausenden: Besucht wird, was laut ist und Spaß macht! Dabei sind im Genre (fast) keine Grenzen gesetzt.