Soft Play und "Heavy Jelly": Das Sommerloch-Album
28.07.2024 | Dave Mante
Der Sommer zeigt sich auch dieses Jahr wieder von seiner ziemlich öden Seite, in der Musik herrscht Flaute, das höchste der Gefühle sind Singles, welche als Vorboten für Alben herhalten, teilweise für Platten, welche sogar erst in 2025 erscheinen. Eventuell lässt sich auf einem der zahlreichen Festivals auch die neue Lieblingsband entdecken, aber das war es dann auch, oder etwa doch nicht?
Immer wieder gibt es im Sommerloch ein Album, welches ziemlich gut ist. Dieses Jahr geht dieser Preis für mich an „Heavy Jelly“ der britischen Punkband Soft Play. Die Band hat ihren Namen erst vor kurzer Zeit geändert, nachdem Bob Vylan ihnen aufzeigte, wie problematisch der Name „Slaves“, welchen sie vorher trugen, ist. Ziemlich bemerkenswert, wo doch gerade diese Szene mit dem Umsetzen von Kritik weniger gut klarkommt. Dazu ist „Heavy Jelly“ noch ein unerwartetes Stück experimenteller Punk-Musik, welche so auch nicht jeden Tag zu erleben ist.
Recht schnell kommt die Rotzzigkeit des Albums, welche durch den stark britischen Slang noch unterstrichen wird. Soft Play klingen wie eine krude Mischung aus den Idles und System of a Down und driften nebenbei noch in einige andere Stilmittel ab. Ihr Song „Punk's Dead“ ist dabei das Aushängeschild der Platte. Hier wird in drei Minuten mal eben die gesamte Punkszene durch den Dreck gezogen, die immer so von „Früher“ schwärmt und den neuen Punks vorwirft verweichlicht zu sein, dabei bezieht sich die Band auch sehr auf ihre persönlichen Hasskommentare, welche nach ihrer Namensänderung auf sie zukamen. Sie machen sich darüber lustig, dass Menschen „Woke“ weiterhin als Beleidigung nutzen und geben mal eben Seitenhiebe gegen problematische Menschen wie Jonny Rotten.
Es folgen Tracks wie „Isaac Is Typing“ ein langsamer Song, welcher schon eher nach einem Hard Rock Klassiker klingt. „Worms On Tarmac“, ein sehr klassischer Punk-Track, denn die Sex Pistols nicht unsauberer hätten schreiben können oder auch „Mirror Muscles“, welcher so auch in einem 15 Minuten Hardcore-Set Platz finden könnte. Es finden sich Spitzen gegen Mackertum oder ähnlichem wieder und alles ist in ein herrlich abstruses Gewand gewickelt, in welchem kein Song klingt wie der nächste.
Leider hat das Album das Problem, dass sich einige Passagen zu sehr nach Gag anhören, hier und da übertreiben sie mit der Überspitzung. Wenn zum Beispiel in „The Mushroom and The Swan“ für knapp eine Minute so gespielt wird, als wäre die Band auf Magic Mushrooms, so ist das beim ersten Mal witzig, führt danach aber willkürlich zu einem Skip. Hier hätte durchaus ein Ausflug ins Stoner-Grunge-Genre gepasst. Generell ist das Album etwas inkonsistent in der Qualität. „Punk's Dead“ ist als berühmter 'Song #2' der Höhepunkt, danach beeindruckt das Duo nur noch wenig in dieser Qualität. Das ist schade, denn in vielen Momenten wirkt es so, als würde die ironische Genialität jetzt zurückkommen, tut es dann ultimativ aber nicht.
Wertung
„Heavy Jelly“ von Soft Play ist ein klares Sommerloch-Album. Wenn die Platte im Winter erscheinen würde, wäre sie sicher schnell unterm Teppich verschwunden. In der Abstinenz von neuer Musik ist es jedoch ein ziemlich interessantes und vor allem anderes Album, welches durchaus erfolgreich mit Ironie und Sarkasmus spielt ohne wirklich peinlich oder übertrieben zu wirken. Leider fehlt es vor allem gegen Ende an Qualität, welche vor allem in der ersten Hälfte vorherrscht.
Dave Mante
Aufgewachsen zwischen Rosenstolz und den Beatles hört sich Dave mittlerweile durch die halbe Musikwelt, egal ob brettharter Hardcore, rotziger Deutschpunk, emotionaler Indie oder ungewöhnlicher Hip Hop, irgendwas findet sich immer in seinen Playlisten. Nebenbei studiert er Kunstgeschichte, schlägt sich die Nächte als Barkeeper um die Ohren oder verflucht Lightroom, wenn er das gerade fotografierte Konzert aufarbeitet.