Team Scheisse und "20 Jahre Drehorgel": Besser als Pluto
07.04.2025 | Dave Mante

Wer Team Scheiße sind, was sie machen und wofür sie stehen muss man wohl niemandem mehr erklären. Die während Covid über Skype gegründete Punk-Band ist mittlerweile eine der wohl größten Bands ihres Genres in Deutschland und spielt die großen Hallen der Nation. Mit ihren ersten beiden Alben landeten sie absolute Direkthits und spalten das Land in Menschen, die sie lieben und die, die eben die Texte nicht verstehen (Spaß, aber Geschmack habt ihr trotzdem nicht). Ihr neues Album „20 Jahre Drehorgel“ ist erneut das, was sie am besten können. Bisschen herumblödeln und ganz nebenbei noch allen ans Bein pissen, die es verdienen.
Liest man sich die Tracklist durch, so findet sich ein wildes Chaos aus Titeln jeglicher Couleur wieder, einige Titel könnten von dem nächsten Andy Borg stammen, einige könnte eine Hipster-Indie-Band aus Kreuzberg nicht besser schreiben und dann liest sich unweigerlich die Punk-Attitüde raus und so ungefähr hört sich dieses Album auch wieder an. In einem Moment wird über illegale Hobbies gesprochen, dann macht sich die Band über die Podcast-Gründer-Kultur lustig, bei welcher die sprechenden Personen Namen wie „Thomas und Thomas“ wählen und dann darüber reden, warum sie keine Incels sein sollen, unvergleichbar der Seitenhieb auf Olli Schulz von Fest und Flauschig (Der ist natürlich kein Incel und sicher ’n cooler Typ). Und dann noch die stetige Verschlechterung des allgemeinen Lebens auf der Erde, seitdem Pluto kein Planet mehr ist. Ein dystopisches Gesamtbild der Erde und Gesellschaft. Immer und immer wieder untermalt von den abwechslungsreichsten Instrumentals und Arten ins Mikro zu brüllen. Ein Song wie „Beige“ klingt wie Black Flag, „Ikeamensch“ könnte auch der Werbespot eines bekannten schwedischen Möbelhauses sein und „Cop Killer von Body Count“ ist der klassische Punkrock Song, der sich in der Strophe immer wieder selbst steigert und dann in einen melodischen Refrain ausbricht und in „Spuckstein“ ist es dann schon fast Metal. Immer wieder fügt Team Scheiße dazu wahnsinnig lustige Momente ein, so wird direkt im ersten Song „Lok“ dieses Problem mit den beiden Gleisen angesprochen, ihr wisst schon, dieses Gewissensrätsel, wen man jetzt von einem Zug überfahren lässt oder eine kurze Rede von Söder findet seinen Platz, keine Sorge Markus, niemand will dir deinen Billo-Schweinebraten wegnehmen. Obwohl, ich würde das schon gern tun.
Der Text handelt bewusst weniger von den Texten, denn diese sind ein Erlebnis und können wirklich so gespoilert werden, dass sie weniger unerwartet und damit weniger lustig bzw. unterhaltsam wären. Diese Band ist einzigartig. Einzigartig lustig, manchmal bisschen dumm (lieb gemeint) und vor allem absolut genial. Denn während der Yuppie von nebenan feiert (ohne zu merken, dass er teilweise mitgemeint ist), dass er diese fetzige Punkband hört und da gestern ganz crazy auf nem Konzert war und sich gewundert hat, warum sich alle schubsen, und auch die Leute, die auf kritische Texte stehen werden hier erneut ihr Seelenheil finden. Vor allem ist das Album für die Leute, die auf die sehr eingängige Punk-Musik stehen, welche nicht nur vom Saufen handelt, sondern dies vor allem vorne rum tut, während es zu jeder dieser Aussagen zwei kritische Aussagen hinterher gibt. Denn bei allem Plakativen im Vordergrund können Team Scheiße vor allem das, Kritik üben, ohne dass es die, die gemeint sind, direkt merken. Also außer die Faschist:innen, die sollten das sofort merken, damit sie sich bitte direkt verpissen!
Wertung
Team Scheiße machen Team Scheiße Sachen. „20 Jahre Drehorgel“ wird wieder dafür sorgen, dass irgendwelche Leute mit viel Meinung und wenig Ahnung darüber diskutieren, ob das noch Punk ist. Aber das kann Fans der Band und des Genres ziemlich egal sein, denn mal wieder steht diese Band für Witz, Eigenheit und hohe Qualität.

Dave Mante
Aufgewachsen zwischen Rosenstolz und den Beatles hört sich Dave mittlerweile durch die halbe Musikwelt, egal ob brettharter Hardcore, rotziger Deutschpunk, emotionaler Indie oder ungewöhnlicher Hip Hop, irgendwas findet sich immer in seinen Playlisten. Nebenbei studiert er Kunstgeschichte, schlägt sich die Nächte als Barkeeper um die Ohren oder verflucht Lightroom, wenn er das gerade fotografierte Konzert aufarbeitet.