Winona Fighter und „My Apologies to the Chef”: Zurück zum tanzbaren Emo-Punk
12.02.2025 | Maria Hagen
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Ja, die ikonischen Nullerjahre der pinken Totenkopf-Vans sind nicht nur durch Avril Lavignes Comeback wieder am Start, auch die junge Musikszene hat laute, emotionale aber zugängliche Pop-Punk Sounds wieder für sich entdeckt. So hat die Nashviller Kombo Winona Fighter auf ihrem frisch veröffentlichten Debütalbum „My Apologies to the Chef” alles im Gepäck, was man für einen echten 2000er-mit-Attitude-Flashback braucht. Vielleicht sogar noch etwas mehr.
Sängerin Coco Kinnon hat keinen Bock auf Anbiederung an den Kommerz und Arschkriecher:innen im Business. Das hat sie schon in den pre-releasten Singles “I’m in the Market to Please No One” und „R U Famous“ deutlich gemacht. Letzterer rechnet mit den Leuten ab, die andere Musiker:innen nur für eigene Vorteile nutzen: „You’re like a moth to my flame / A germ collecting big names /Washed up and circling the drain / Are you famous? Can we be friends?”
Zeit zum Durchatmen? Überbewertet.
Das Album startet passenderweise mit einem Track namens „Jumpercables“ – zu Deutsch: Starthilfekabel. Elektrifizierend klingt es allemal, und auch der Text setzt den Ton für den Rest des Albums: “Need jumper cables / shock and explode“. Wer Coco Kinnon noch nie gehört hat, bekommt hier bereits eine deutliche Demonstration ihrer stimmlichen Fähigkeiten. Laut und klar, mit der genretypischen Rauheit in den höheren Lagen. Der etwas anklagende Emo-Ton hat etwas von Hayley Williams – ohnehin erinnert der Sound der Band nicht nur durch Kinnons Gesang an einigen Stellen an frühe Paramore-Songs.
Wie es sich für ein Punkalbum gehört, lässt einen die Band in keinem der 14 Tracks so richtig durchatmen – lediglich der dritte Track „Subaru“ kurbelt die Energie zugunsten von mehr Gefühl ein kleinwenig herunter. Kinnon lamentiert hier in bester Emo-Manier: „Wheels on my Subaru might be giving out soon / Headed from the east coast / But I don’ t wanna wait for you / How do I get better?”
Nur der allerletzte Song des Albums ist ebenfalls etwas melancholischer als die restlichen (wirklich viel Spaß machenden) High-Energy-Tracks. Den Ausklang findet Winona Fighters Longplayer mit dem Titel „Don’t Wallow“, bei dem die von der Bostoner Punkszene geprägte Kinnon scheinbar ihren Frieden mit dem harten musikalischen Pflaster Nashville macht: „I’ve made my peace with god / this whole town is famous / at least that’s how they act / I can’ t seem to get a grasp on who the fuck came up with that / go swallow it, don’t wallow”.
Ja, das Album bleibt seinem Genre extrem treu und variiert sein Erfolgsrezept wenig. Aber wieso sollte man auch, wenn man schon vor Release des ersten Albums Shows mit Incubus und The Offspring spielen darf, und auf der legendären „New Noise“ Playlist auf Spotify gefeatured wird? Was Winona Fighter aber zusätzlich schafft, ist der kleine Nod zur Mutter des Emo-Pop-Punks: Dem melodischen 90er-Grunge wie ihn Courtney Love geprägt hat. Man fühlt es im Arrangement des 5. Track „Talk“, es glitzert durch das eingängige Riff vom 10. Track „Attention“, es schwingt mit im Intro des 12. Titels „Swear to God that I’m (FINE)“. Das rehabilitiert ebendiesen Track etwas, da man weiter hinten einen fast eins zu eins Dashboard-Confessional-Refrain verzeihen muss.
Wertung
Das Video zu „R U Famous“ hat einen so schönen 2000er-Vibe, dass Visions es sogar mit der frühen Tony Hawks Pro Skater Ästhetik vergleicht. Dass diese Ära wieder in ist und 2025 neue Künstler:innen ihren Sound wieder an den Start bringen, ist sicherlich kein Zufall. Emotionale Ausbrüche gegenüber Kommerz und opportunistischen Geldgeiern zugänglich an Musikbegeisterte zu vermitteln kann unsere Gesellschaft grade nur zu gut gebrauchen. Winona Fighter gelingt ebendies mit ihrem Debüt. Und auch wenn die Genre-Klischees an der ein oder anderen Stelle etwas schwer wiegen, schaffen sie ein absolut ehrliches Album, das eine wichtige Attitüde präsentiert und kompromisslos durchgezogen ist. Man möchte laut mitsingen, wild in der Menge tanzen, und ja, den Mittelfinger gemeinsam mit der Band gegen Fakeness und Kommerz recken. Und das fühlt sich gut an.
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Maria Hagen
Maria schreibt gerne alles voll, was nicht bei drei auf dem Baum ist - auch beruflich erst als Journalistin, inzwischen als Kommunikationsberaterin. Die dabei laufenden Playlists sind breit gefächert: Psychedelic Rock, 80er Punk, 90er Hip Hop, Britpop, 2000er Indie, jazziger Chillhop und poppigster Elektropop (#freebritney). Wenn sie mal nicht Wörter schreibt, schreibt sie Musik oder plant ihren nächsten UK-Aufenthalt (da sind die besten Konzerte.)