Unter dem Radar #37: Forty37
25.07.2024 | Frank Diedrichs
Heimat: Bremen
Genre: College-PopPunk
Label: Forty Musik
Veröffentlichungen: Parking Lot Anthems (2023)
Für Fans von: Sum 41, blink-182, Green Day
Instagram: @forty37punkrock
Bandcamp: Forty37
Forty37 (“Forty Thirtyseven“) sind Tim (Schlagzeug), Lennart (Bass), Gerrit (Gitarre) und Wuiser (Gesang, Gitarre). Sie sind alle fest im Berufsleben verankert, und vereint in der Liebe zum Pop Punk der 90er- und Nullerjahre. Dies spiegelt sich auch in der Namensgebung wider. „Wir haben überlegt, was uns eigentlich verbindet“, erklärt Tim, „und es war zu dem Zeitpunkt einfach nur der Proberaum mit der Nummer 40-37. Und Nummern im Pop Punk-Business wie Sum 41 oder blink-182 sind bekanntlich stilbildend.“
Gegründet wurde die Band im Jahr 2021. Ein denkbar schwieriger Zeitpunkt, da Corona-Beschränkungen noch allgegenwärtig waren. Aber Lennart und Tim, die bereits zwölf Jahre lang in einer Metalband (SKULLED) zusammengespielt haben, hatten richtig Bock auf Pop Punk. Sie starteten einen Aufruf auf Facebook – sie suchten einen Sänger. Dieser fand sich sehr schnell im Venezueler Wuiser, der, seitdem er seine Liebe zur Musik entdeckt hat, Punk Rock lebt: „Ich hatte meine erste Band, als ich 14 Jahre alt war. Ich bin jetzt 30 und es ist immer noch Punkrock. Also ich wollte immer noch in die Richtung Punk Rock spielen, habe immer punkrockmäßige Songs geschrieben. Ich hatte [in Venezuela bereits] zwei Punkrockbands.“ Als Wuiser nach Deutschland kam, war es für ihn zu Beginn schwer, jemanden zu finden, der Bock auf Punkrock hatte: „Zum Glück habe ich diesen Facebook-Post gesehen!“ Seit 2023 ist Gerrit als zweiter Gitarrist offizielles Bandmitglied, begleitet hat er die Band aber als Live-Support schon vorher.
Auch wenn die musikalische Karriere unterschiedlich verlief, eint alle Bandmitglieder die Liebe zum Pop Punk. Die Sozialisation gleicht derjenigen vieler Teenies zu dieser Zeit: MTV, Liveübertragungen von RaR und RiP, Bravo Hits-Kompilationen und natürlich der Soundtrack zu den Tony Hawk Pro Skater-PC-Spielen. „Das ist haften geblieben“, wirft Gerrit ein, „kalifornischer College Rock war so ein bisschen der Türöffner und wir sind alle mehr oder weniger in die härteren Metalgenres abgedriftet.“ „Und dann, als ich 28 war, habe ich gesagt, irgendwann muss ich auch mal meine Pop Punk-Zeit ausleben“, schließt sich Tim an. Mit dem Sound von Forty37 schließt sich somit wieder der Kreis. Dabei spielt keineswegs Nostalgie die tragende Rolle, sondern die Liebe zur Musik aus der Zeit, in der mensch großgeworden ist.
Und so erschien im Jahr 2023 das Debütalbum „Parking Lot Anthems“. Der titelgebende Track des Albums erinnert an die Zeit der Gründung, als es während Corona häufig nur möglich war, sich auf öffentlichen (Park-)Plätzen zu treffen. Klischeeerfüllend wurde Skateboard gefahren, Pizza gegessen und Bier getrunken. Der Track ist aber mehr als nur eine Hommage an die Zeit des Pop Punks in den 90ern/Nullern. Wuiser, der für das Songwriting eine große Verantwortung trägt, merkt an, dass „ein Song für meine realen Freunde ist [und dass] ich immer für sie da bin.“ Wuiser bringt viel Persönliches in die Texte hinein. So auch in den Song „Elevator“. Zum einen der Fahrstuhl, der die Band in den Proberaum bringt, zu anderen aber ein Sinnbild für die depressiven Phasen des Sängers: Sich verschließen, Abwärts-/Aufwärts-Phasen, sich öffnen. In „Basement On The 4th Floor“ werden Safe Places thematisiert, in einer Form von “Magic Realism”. Es geht um Orte, die es “eigentlich so nicht geben kann, […], steht aber metaphorisch für so einen Ort, in den [mensch] selber gedanklich verschwindet. Wenn vielleicht alles etwas zu viel wird“, führt Lennart, der den Song zusammen mit Wuiser geschrieben hat, erklärend aus. Einen großen Stellenwert in Wuisers Leben bekommen seine Erfahrungen als Punk, die sich im Text zu „Selfish Non-Believer“ widerspiegeln, in dem es um die Auseinandersetzung mit Vorurteilen aufgrund von Tattoos, Attitüden, generell sein Punk-Sein geht; eindrucksvoll durch den Refrain verdeutlicht: „I apologize myself for being a selfish non-believer of your way of seeing things. I’d rather disappear.“
Der Songwriting-Prozess unterscheidet sich gerade für Gerrit, Tim und Lennart deutlich von ihrer Zeit in Metalbands. Hatten sie dort kaum Einfluss auf die Texte, die in der Regel nur Klischees bedienten, sind sie jetzt stärker involviert. „Im Punkrock hörte ich immer Texte, die mich emotional mitnahmen. Irgendwann habe ich den Text zu „Better Time“ geschrieben, den hat Wuiser dann mit Musik unterlegt und arrangiert“, berichtet Tim über seine Entwicklung im Songwriting. Somit hat nun jeder die Möglichkeit Ideen, Texte oder Songschnipsel einzubringen, die gemeinsam zu einem Song entwickelt werden.
Nach Aussage der Band gibt es in Bremen und Umgebung zwar eine recht starke Metal- und Deutschpunk-Szene, die englischsprachige Punkszene, besonders mit Pop Punk, ist aber kaum vertreten. Durch ihre musikalische Vergangenheit sind Forty37 in der Metalcore-Szene verankert: „Wir kennen uns halt alle teilweise schon jahrelang persönlich“, beschreibt Gerrit die Verbindung. Somit besteht eine deutliche Nähe zu Bands wie Malføy, Rising Insane oder Watchout Stampede, die inzwischen auch deutschlandweit bekannt sind. Sven Polizuk von Rising Insane produzierte sogar das Albumdebüt Forty37. Die ersten Liveerfahrungen wurden dann auch als Support der genannten Bands gemacht und die Resonanz war durchweg positiv, auch unter Metalfans. Aber auch bei Auftritten, bei denen überwiegend Deutschpunkbands spielen, kommen die vier Musiker positiv an. Bislang begrenzen sich die Auftritte auf den Nordwesten Deutschlands. Und natürlich gibt es Ziele: Auftritte beim Punk Rock Holiday, beim Hurricane Festival oder im Ausland zu spielen, zum Beispiel in Belgien. Gerrit bringt diese Frage aber abschließend auf den Punkt: „Ich war zum Beispiel noch nie in München mit einer Band. Das wäre schon ein Traum, einfach mal eine Deutschland-Tour spielen. Und wenn ich dann noch irgendwo auf einer großen Festivalbühne stehe, von mir aus auch gerne morgens um elf und da steht nur ein Besoffener, würde ich danach sagen: Perfekt. Ich habe alles erreicht, ich kann tot umfallen.“
Einig sind sich auch alle, dass ihnen das Feedback der Zuschauer am wichtigsten ist. Egal, ob sie vor 500 oder fünf Zuschauern spielen. „Es ist viel wichtiger, dass wir auf der Bühne zusammen Spaß haben und das dann so nach draußen projizieren!“, bemerkt Lennart und Gerrit ergänzt, dass „wir für uns selber auf die Bühne gehen.“ Von der sich daraus resultierenden Authentizität konnte sich der Schreiberling dieses UdR im Sulinger JOZZ höchstpersönlich überzeugen. Mit Wuiser als Frontmensch, der sichtlich Spaß in seiner Rolle findet, und einem Sound, der aus den 90er/Nullern frisch in die jetzige Dekade transferiert wurde, wurde der kleine Saal gepunkrockt.
Den Abschluss des Gespräches bildet die persönliche Rückschau auf die Highlights der bisherigen Bandbiografie. Zum einen wird das Vorstraßenfest, das Sommerfest der Uni Bremen, genannt: „Da haben wir die Backstreet Boys und blink-182 gecovert und viele eigene Songs gespielt. Da waren Menschen, die kannten unsere Songs. Das war richtig cool zu sehen“, erklärt Wuiser. Und es wächst der Wunsch, dass die Band noch viele weitere Momente erlebt, die ihnen helfen, mit ihrer authentischen Art das Publikum zu unterhalten und mit ihrer Musik auch außerhalb der aktuellen Blase viele neue begeisterte Fans zu finden.
Frank Diedrichs
Frank lebt seit über zwanzig Jahren in der Mitte Niedersachsens und unterrichtet Kinder und Jugendliche an einer Oberschule. Nach seiner musikalischen Erstprägung durch die Toten Hosen und Abstürzenden Brieftauben erweiterte er seine Hörgewohnheiten: Folkpunk, Singer-/Songwriter, Blues, Deutschpunk, US-/UK-Punk. Dabei kommt von Johnny Cash über The Beatles und Pascow bis hin zu Marvin Gaye eine Menge Vielfalt aus den Boxen, am liebsten als Vinyl.