Unter dem Radar #39: Federhall
27.03.2025 | Hermann Breitenborn

Heimat: Magdeburg
Genre: NNDW
Label: Federhall Tonträger
Veröffentlichungen: Der Moderne Mann, Tipps zum Verlieben
Für Fans von: Mamoré, Graustufe West, Tropikel Ltd., TEMMIS
Web: Federhall
Instagram: @Federhall
Retro waren die Jungs von Federhall schon immer, nur das richtige Jahrzehnt war noch nicht gefunden. Die Ursprünge der Magdeburger Band finden sich eher im Garage-Sound der 60er, so klingt zumindest die Debüt-EP ‘Five Nights Alive’. Federhall bestehen aktuell aus Robin ‘Tango’ Schmidt (Gitarre, Keyboard), Hannes ‘Titan’ Stocker (Gesang) und Mark Trebeljahr (Schlagzeug).
“Wir haben damals tatsächlich noch komplett auf Band aufgenommen für unsere erste Zeit… Damals hatten wir wirklich noch eine 8-Spur Bandmaschine und haben übers Pult aufgenommen und auch am Pult gemischt und gemastert und dann wirklich erst den fertigen Master da rausgezogen. Das hat wieder viel Charme, aber auch echt viele Kompromisse zur Folge gehabt.” (Tango)
Einem größeren Publikum könnten sie kürzlich durch eine Erwähnung im erfolgreichen Format ‘Marti Reacts’ des Produzenten, Imitators und YouTuber Marti Fischer aufgefallen sein. Ihre Single ‘Melodiös’ vom zweiten Album holte sich in diesem Video sogar den Sieg.
'Tipps zum Verlieben’ heißt das Album und auch der Titeltrack, das Thema Beziehung und Liebe zieht sich wie ein roter Faden durch das Album - auf der Rückseite der Platte prangt “Neun zeitlose Liebeshymnen”. Karolina, das Marlboromädchen, oder Steffi Graf sind dabei einige der besungenen Damen. Einen tatsächlich echten, wenngleich auch ironisch zu verstehenden Tipp zum Verlieben gab es vom Drummer Mark: “Entweder nie lügen, oder immer.”
Stilistisch sind Federhall am ehesten der sogenannten Neuen Neuen Deutsche Welle zuzuordnen. Damit reihen sie sich in einen illustren Kreis von Musikern und Bands ein wie Graustufe West, Lyschko oder Edwin Rosen, der vermutlich den Begriff NNDW überhaupt erst geprägt haben.
“Wenn es den Begriff schon geben würde, machen wir NNDW Rock. Wir sind schon noch ein bisschen gitarrenlastiger hier als andere aus der Szene. Schlagzeug variiert hier und da mal, da sind wir manchmal synthetisch und manchmal ein bisschen klassischer unterwegs" (Hannes)
Obwohl sie nach eigenen Aussagen u.a. mit Miami Vice sozialisiert worden sind, wird man knallbunte Neon-Ästhetik und Pastell-Sakkos bei Federhall tendenziell vermissen. Sie sind dann doch eher für braune Lederjacken und verrauchte Eckkneipen, bei denen seit 50 Jahren dieselben Holzpaneele an den Wänden (und meistens auch der Decke) hängen. So auch in ihrer jüngsten Single ‘Nicht schnell genug’ und dem dazugehörigen Musikvideo, das in der Gaststätte Jahnke aufgenommen wurde, in der noch Erich Honecker an der Wand hängt.
“Was bei uns ja stark in der Ästhetik mitschwingt, ist, dass wir den Kneipencharme feiern… Authentizität ist für mich mit das Wichtigste und wenn etwas unauthentisch ist, finde ich es sehr schnell sehr uncool. Und ich würde Authentizität gleichsetzen mit Ehrlichkeit und ich finde, es gibt keinen ehrlicheren Ort, als die Kneipe. Du kannst dir sicher sein, dass da keine Kunstfigur sitzt…und im Gegensatz zu Social Media hab ich nicht das Gefühl, dass mir da irgendeiner was verkaufen will.” (Tango)
“Ich glaube, dass Sachen nur dann wirklich gut werden, wenn man sie authentisch angeht.” (Hannes)
In Anbetracht der neonpinken Sonnenbrille, die uns die 80s-Nostalgie seit Kung Fury und Stranger Things immer wieder aufsetzt, vergessen wir doch immer häufiger, wie unglaublich braun alles damals gewesen ist.
“Es ist ein so bisschen trackabhängig auch. Wir nutzen die Ästhetik der 80er aus, da brauchen wir uns nichts vormachen, das ist auch recht offensichtlich, aber es ist nicht so ein zielgerichtetes: Wir wollen jetzt genau den Klang. Es ist eher so ein: Wir finden den Synthesizer geil, lass mal probieren, was wir damit machen können.” (Hannes)
Zur Braunfärbung der Tapeten der 80er trug mit Sicherheit auch das noch sehr viel gängigere Rauchen im privaten, öffentlichen oder öffentlich-rechtlichen Raum bei - da wurde in Talkshows noch gebarzt, bis die Fernsehkameras kaum noch ein Bild durch den Qualm einfangen können. Federhall nimmt diese Ikonographie gekonnt mit auf. Sei es der Federhall-Aschenbecher am Merch-Stand, die Vintage-Marlboro-Leuchtreklame, die im Studio oder bei Liveshows das Bühnenbild bereichert oder passend dazu der Hit "Marlboromädchen". Und zur Kippe gehört noch das klassische Herrengedeck. Immerhin lernte sich die aktuelle Besetzung ursprünglich beim Flunkyball spielen kennen. Mittlerweile verkauft die Band als Merch kleine Korn-Fläschchen mit Federhall-Emblem und widmete dem Schnaps auch ein eigenes Lied - "Turboliebling" auf dem ersten 80s-Album ‘Der Moderne Mann’
“Ich finde es auch etwas hängen geblieben, wenn man das zu ernst nimmt. Ich finde es witzig, solange das noch einen ironischen Hauch hat und man weiß, wann es auch wieder gut ist…Verantwortungsvoller Konsum ist wichtig, aber wir lassen es auch gerne mal krachen.” (Tango)
Dieser scheinbaren Monotonie setzen Federhall aber ein sehr buntes, kraftvolles und auch abwechslungsreiches Klangbild entgegen. Rockige Titel wechseln sich ab mit elektronischer klingenden Stücken. Die verspielten und manchmal auch metaphorischen Texte bringt Hannes ‘Titan’ überzeugend und mit einem passendem Gesangsstil rüber.
“Mich hat es immer mehr zu Musik hingezogen, bei der jede 16. Note was los ist, alles voll gelayert, das fand ich immer spannender. Auch wenn manchmal schlicht dann trotzdem Trumpf war.” (Tango)
Betten von Synthesizern treffen auf Gitarrensoli, die zu überzeugen wissen und zum Luftgitarre spielen anregen. Gerade live wird der Rock-Aspekt noch weitaus deutlicher. Einige Support-Konzerte spielte die Band in der jüngeren Vergangenheit, u.a. mit Tropikel Ltd., Paula Carolina oder Mamoré. Festivals wie die Breminale oder das Forest Jump stehen ebenfalls auf der Vita. Ich selbst habe Federhall in der Hamburger Kultkneipe ‘Freundlich + Kompetent’ spielen sehen, bei einem energiegeladenen Gig in der genau richtigen Kneipenatmosphäre, die Federhalls Songs noch zusätzlich unterstreicht.
Trotz aller Retro-Elemente, einer scheinbar verstaubten Ästhetik und recht klaren Vorbildern (zumindest auf einer übergeordneten Ebene, auf ein spezifisches Vorbild an Song oder Band wollen sie sich nicht festlegen), so ist der Fankreis der Band überraschend jung, wie sie im Interview beim Plattenkränzchen-Podcast erzählen. Damit wird letztlich klar, dass klassischer NDW-Sound nicht totzukriegen ist, aber Federhall es gleichzeitig verstehen, die 80er Jahre zu transzendieren und ins Heute zu bringen.

Hermann Breitenborn
Hermann ist Videoredakteur im Miniatur Wunderland und Co-Host des Podcasts Ja, hier…Filme. Vom Kleidungsstil hängen geblieben irgendwo zwischen 1985 und 2005 geht es bei ihm musikalisch auch meistens nostalgisch zu, wobei von leise bis zu laut alles dabei sein darf.