Antilopengang - Anarchie und Alltag im Review
31.01.2017 | Ole Lange
Eröffnet wird das Album mit dem Song „Das Trojanische Pferd“. Mit einem sehr düsterem Beat nehmen die Antilopen deutlich die heutige Musikbranche auf den Arm. Es wird hier klar die jüngste Bandvergangenheit aufgearbeitet. Der Song macht auch deutlich, dass die Jungs nicht wegen Preisen oder Charterfolges Musik machen. Gerade durch die Liebe zum Detail werden verschiedenste Muster heutiger Popmusik aufgezeigt. Ein sehr melodischer Refrain und ein Hauch Dubstep zum Schluss runden das Ganze ab.
Das Album lebt von der Abwechslung. Stark geprägt wird es durch die Themen Leben, Tod und Freiheit. Bei „Patientenkollektiv“ macht die Band eigene Probleme sehr deutlich, doch werden auch die Probleme anderer mit einbezogen. Die Einsamkeit einzelner Menschen soll mit dem Zusammenschluss vernichtet werden. („Die Konzerte, die wir spielen, sind 'ne Gruppentherapie“)
Mit „Pizza“ hat die Antilopen Gang nun wirklich einen Anwärter auf den Ohrwurm des Jahres geschaffen. Versteckt in der Arbeit eines Italieners merkt man hier klare Kritik an der bisherigen Weltwirtschaft. Musikalisch ist es wahnsinnig poppig. Viel Klavier, wenig Drums und eine wahnsinnig positive Grundstimmung geben dem Lied genau so viel nach außen gesehene Sinnlosigkeit wie kürzlich den 257ers, wobei bei der Antilopen Gang deutlich spürbarer ist, dass es auch Probleme behandelt.
Die insgesamt 12 Lieder sind wieder mal sehr Hip-Hop-lastig. Was fehlt, sind doch die deftigen Punchlines. Es fällt kaum eine Line richtig aus dem Gesamtkonzept der Platte, was in diesem Fall aber auch gar nicht ins Gewicht fällt, da vielmehr die musikalischen Kontraste für Diversität sorgen. Diese Kontraste merkt man gerade bei den nächsten beiden Songs „Fiasko“ und „Tindermatch“. Während bei zweiterem mit einem leicht funkigen Beat über die heutigen Liebesgeschichten philosophiert wird, zeigt „Fiasko“ direkt und aggressiv, wer die Antilopen Gang wirklich ist.
Die vier emotionalsten Songs von „Anarchie und Alltag“ beziehen sich alle auf die Fremdheit in der eigenen Welt. Hier merkt man entweder durch den Bass oder das Klavier die Tiefe der Musik. Es sind Lieder, die man mehr als einmal hören muss, um sie komplett zu verstehen. „Irgendwie biegt man sich alles zurecht, irgendwie wird einem gar nicht mehr schlecht“, heißt es in „Lob der Lüge“, einem Song, der zeigt, dass es irgendwann zu spät ist und selbst die beste Lüge nicht mehr halten kann. „Gestern war nicht besser“ schließt das Album ab, indem man sehr kritisch darüber nachdenkt, wer die Antilopen Gang am Ende doch ist. Die Band fragt nach der eigenen Identität und richtet diese Frage gleichzeitig an uns alle. Die Angst vor der Zukunft ist deutlich zu spüren.
Musikalische Besonderheiten in „Anarchie und Alltag“ sind in „Baggersee“ und „RAF Renter“ zu finden. Ersteres ist wie eine „Ode an den Punk“ auf dem Album. Eingestimmt wird der Song durch „Hilfe“, bei dem es eigentlich sehr chill-hop-mäßig losgeht, am Ende aber in reinen Punk mündet. Die Gitarrenriffs und das laute Drumset springen sofort um und im“Baggersee“ versinken die Antilopen komplett im 90's Punk. „RAF Rentner“ ist musikalisch auf den Zug aufgesprungen, der sich heute irgendwie in Richtung Trap bewegt. Die benutzten Samples geben dem Beat eben jenen Hauch des Traps, welcher durch die Hook deutlich unterlegt wird.
Dafür das „Anarchie und Alltag“ definitiv kein „Flop“ wird, so wie es die Gang in ihrem Song vorhergesagt hat, sorgt auch wieder das sehr starke Feature mit Fatoni bei „Liebe Grüße“. Mit dem Titel des Albums haben die Antilopen Gang schon sehr gut geahnt, wie das Album ankommt. Es ist definitiv die abwechslungsreichste Platte der Bandgeschichte, dennoch findet man ähnliche Musikrichtungen einzelner Songs im Alltag wieder. Trap, Punk, Gangsterrap, ironischer Hip-Hop und weitere Ansätze sind im Album, wie auch in den Charts zu finden. Wie auch bei den vorherigen Veröffentlichungen merkt man wieder den starken Systemkritiker in jedem Bandmitglied. Eine sehr starke Platte - nicht nur für Rap-Hörer!
Ole Lange
Ole stammt aus der östlichsten Stadt Deutschlands und begeistert das Team mit seinen leichten Dialekt. Er schreibt fleissig Reviews von Hip-Hop bis Metalcore und hat hin und wieder ein Interview mit Bands.